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Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.01.2013
XI ZR 22/12 -

BGH: Private Bank darf Girokonto ohne vorherige Interessenabwägung ordentlich kündigen

Commerzbank kündigte rechtsextremem Buchvertrieb ohne Angabe konkreter Gründe

Die ordentliche Kündigung eines Girovertrags nach Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 setzt nicht voraus, dass eine private Bank eine Abwägung ihrer Interessen an einer Beendigung des Vertrags­verhältnisses mit den Interessen des Kunden an dessen Fortbestand vornimmt. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor. Geklagt hatte der Buchvertrieb "Lesen und Schenken", der in seinem Programm auch rechtsextreme Titel führt.

In dem zugrunde liegenden Fall unterhielt die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Bücher und Zeitschriften vertreibt, bei der beklagten privaten Bank seit September 2006 ein Girokonto, das sie für ihren Geschäftsverkehr nutzte. Ihrer Vertragsbeziehung zur Beklagten lagen deren Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken 2002) zugrunde, die unter anderem folgende Klausel enthielten:

"19.Kündigungsrechte der Bank

(1) Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist

Die Bank kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kündigen (zum Beispiel den Scheckvertrag, der zur Nutzung von Scheckvordrucken berechtigt). Bei der Bemessung der Kündigungsfrist wird die Bank auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Für die Kündigung der Führung von laufenden Konten und Depots beträgt die Kündigungsfrist mindestens sechs Wochen.

[…]"

Beklagte kündigte Vertragsverhältnis aus "grundsätzlichen Erwägungen"

Die Beklagte teilte der Klägerin unter dem 22. Juli 2009 mit, sie sehe sich "aus grundsätzlichen Erwägungen" nicht mehr in der Lage, die Kontoverbindung mit der Klägerin aufrecht zu erhalten, und kündigte mit einer sechswöchigen Kündigungsfrist. Mit ihrer in beiden Vorinstanzen erfolglosen Klage begehrt die Klägerin festzustellen, der Girovertrag bestehe fort.

BGH: Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht

Der Bundesgerichtshof hat auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 verweist auf vereinbartes ordentliches Kündigungsrecht

Dabei waren im Wesentlichen folgende Überlegungen für seine Entscheidung maßgeblich: Im Ergebnis richtig hat das Berufungsgericht angenommen, mittels Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 sei ein ordentliches Kündigungsrecht wirksam vereinbart, auch wenn die Bestimmung der Beklagten nicht abverlangt, ihr Interesse an einer Vertragsbeendigung mit dem Interesse der Klägerin an der Fortführung des Vertrages abzuwägen. Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 hält einer Inhaltskontrolle stand.

Keine Rechtfertigungspflicht der Beklagten mittels einer Angemessenheits- oder Verhältnismäßigkeitsprüfung

Auch ist die Ausübung des Kündigungsrechts auf der Grundlage der Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 im konkreten Fall nicht verbots- oder treuwidrig gewesen. Insbesondere statuiert das vom Grundsatz der Privatautonomie beherrschte bürgerliche Recht keine über eine mittelbare Drittwirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes begründbare allgemeine Pflicht zur gleichmäßigen Behandlung, hier bei der Ausübung eines vertraglich vereinbarten ordentlichen Kündigungsrechts. Entsprechend oblag es der Beklagten nicht, eine Ungleichbehandlung der Klägerin im Verhältnis zu anderen Kunden mittels einer Angemessenheits- oder Verhältnismäßigkeitsprüfung sachlich zu rechtfertigen. Der konkrete Fall bietet auch keine Besonderheiten, die eine Kündigung als rechtsmissbräuchlich bzw. als schikanös oder eine Kündigungsfrist von sechs Wochen als zu kurz bemessen erscheinen lassen.

Berufungsgericht soll Prüfung der Vertretungsverhältnisse vornehmen

Die Sache ist jedoch noch nicht entscheidungsreif, weil das Berufungsgericht, anstatt aufzuklären, ob die Beklagte - wie von der Klägerin bestritten - bei Erklärung der Kündigung mit Schreiben vom 22. Juli 2009 wirksam vertreten war, die Klageerwiderung als erneute Kündigung interpretiert hat. Dabei hat es deren Wortlaut überdehnt. Der Bundesgerichtshof hat die Sache deshalb zur Prüfung der Vertretungsverhältnisse an das Berufungsgericht zurückgegeben.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 16.01.2013
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Fundierte Fachartikel zum diesem Thema beim Deutschen Anwaltsregister:

Aktuelle Urteile aus dem Bankrecht
Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift: Der Betrieb (DB)
Jahrgang: 2013, Seite: 749
DB 2013, 749
 | Zeitschrift: Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (EWiR)
Jahrgang: 2013, Seite: 129
EWiR 2013, 129
 | Zeitschrift: Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (GWR)
Jahrgang: 2013, Seite: 112
GWR 2013, 112
 | Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR)
Jahrgang: 2013, Seite: 357
MDR 2013, 357
 | Zeitschrift: Neue Justiz (NJ)
Jahrgang: 2013, Seite: 257
NJ 2013, 257
 | Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW)
Jahrgang: 2013, Seite: 1519
NJW 2013, 1519
 | Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM)
Jahrgang: 2013, Seite: 316
WM 2013, 316
 | Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP)
Jahrgang: 2013, Seite: 304
ZIP 2013, 304

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Dokument-Nr.: 15038 Dokument-Nr. 15038

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