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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.08.2016
- XII ZB 61/16 -
BGH zu den Anforderungen an Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung im Zusammenhang mit dem Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen
Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen nicht überspannt werden
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, welche Anforderungen eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung im Zusammenhang mit dem Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen erfüllen müssen.
Die 1941 geborene Betroffene des zugrunde liegenden Verfahrens erlitt Ende 2011 einen Hirnschlag. Noch im Krankenhaus wurde ihr eine Magensonde gelegt, über die sie seitdem ernährt wird und Medikamente verabreicht bekommt. Im Januar 2012 wurde sie in ein Pflegeheim aufgenommen. Die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Fähigkeit zur verbalen Kommunikation verlor sie infolge einer Phase epileptischer Anfälle im Frühjahr 2013. Die Betroffene hatte 2003 und 2011 zwei wortlautidentische, mit "Patientenverfügung" betitelte Schriftstücke unterschrieben. In diesen war niedergelegt, dass unter anderem dann, wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, "lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben" sollten. An die "Patientenverfügung" angehängt war die einer ihrer drei Töchter erteilte Vorsorgevollmacht, dann an ihrer Stelle mit der behandelnden Ärztin alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen, ihren Willen im Sinne dieser
Betroffene erteilt Tochter Generalvollmacht für Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung
Außerdem hatte die Betroffene 2003 in einer notariellen
Andere Töchter der Betroffenen verlangen Widerruf der Vollmacht durch Kontrollbetreuer
Die Bevollmächtigte und die die Betroffene behandelnde Hausärztin sind übereinstimmend der Auffassung, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung gegenwärtig nicht dem Willen der Betroffenen entspricht. Demgegenüber vertreten die beiden anderen Töchter der Betroffenen die gegenteilige Meinung und haben deshalb beim Betreuungsgericht angeregt, einen sogenannten Kontrollbetreuer nach § 1896 Abs. 3 BGB zu bestellen, der die ihrer Schwester erteilten Vollmachten widerruft. Während das Amtsgericht dies abgelehnt hat, hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und eine der beiden auf Abbruch der künstlichen Ernährung drängenden Töchter zur Betreuerin der Betroffenen mit dem Aufgabenkreis "Widerruf der von der Betroffenen erteilten Vollmachten, allerdings nur für den Bereich der Gesundheitsfürsorge", bestellt. Die Rechtsbeschwerde der bevollmächtigten Tochter war erfolgreich. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Vollmachten ermächtigen lediglich zur Mitsprache, nicht aber zur Bestimmung der Vorgehensweise
Ein Bevollmächtigter kann nach § 1904 BGB die Einwilligung, Nichteinwilligung und den Widerruf der Einwilligung des einwilligungsunfähigen Betroffenen rechtswirksam ersetzen, wenn ihm die
Äußerung "Keine lebenserhaltenden Maßnahmen" enthält keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung
Eine schriftliche
Privatschriftliche Schriftstücke und notarielle Vollmacht kommen nicht als bindende Patientenverfügungen in Betracht
Danach kommen sowohl die beiden privatschriftlichen Schriftstücke als auch die in der notariellen
Bevollmächtigte setzt sich durch eigenes Verhalten nicht über Willen der Mutter hinweg
Auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich auch kein auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteter Behandlungswunsch oder mutmaßlicher Wille der Betroffenen. Daher kann derzeit nicht angenommen werden, dass die Bevollmächtigte sich offenkundig über den Willen ihrer Mutter hinwegsetzt, was für die Anordnung einer Kontrollbetreuung in diesem Zusammenhang erforderlich wäre. Das Landgericht wird nach Zurückverweisung allerdings zu prüfen haben, ob mündliche Äußerungen der Betroffenen vorliegen, die einen Behandlungswunsch darstellen oder die Annahme eines auf Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteten mutmaßlichen Willens der Betroffenen rechtfertigen.
Die maßgeblichen Normen lauten wie folgt:
§ 1901 a BGB Patientenverfügung
(1) Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der
(2) Liegt keine
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung des Betreuten.
(4) Niemand kann zur Errichtung einer
(5) Die Absätze 1 bis 3 gelten für Bevollmächtigte entsprechend.
§ 1904 BGB Genehmigung des Betreuungsgerichts bei ärztlichen Maßnahmen
(1) Die Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Ohne die Genehmigung darf die Maßnahme nur durchgeführt werden, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist.
(2) Die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet.
(3) Die Genehmigung nach den Absätzen 1 und 2 ist zu erteilen, wenn die Einwilligung, die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betreuten entspricht.
(4) Eine Genehmigung nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht erforderlich, wenn zwischen
(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für einen Bevollmächtigten. Er kann in eine der in Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 genannten Maßnahmen nur einwilligen, nicht einwilligen oder die Einwilligung widerrufen, wenn die
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 09.08.2016
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
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[Aktenzeichen: XVII 39/15] - Landgericht Mosbach, Beschluss vom 26.01.2016
[Aktenzeichen: 3 T 7/15]
- BGH: Abbruch lebenserhaltender Behandlung auf Grundlage des Patientenwillens nicht strafbar
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.06.2010
[Aktenzeichen: 2 StR 454/09]) - BGH zur vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung von Betreuerentscheidungen im Zusammenhang mit lebensverlängernden Maßnahmen an einwilligungsunfähigen Patienten
(Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.03.2003
[Aktenzeichen: XII ZB 2/03])
Fundierte Fachartikel zum diesem Thema beim Deutschen Anwaltsregister:
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