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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.07.2015
- XII ZB 89/15 -
BGH äußert verfassungsrechtliche Zweifel an Regelungen zu ärztlichen Zwangsmaßnahmen
Bundesgerichtshof befürchtet Ungleichbehandlung von Patienten mit und ohne "Weglauftendenz"
Der Bundesgerichtshof hält die im Jahre 2013 eingeführten Bestimmungen über ärztliche Zwangsmaßnahmen für teilweise verfassungswidrig und hat sich deshalb im Wege der Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht gewandt.
In dem Ausgangsverfahren geht es um eine 63-jährige Betroffene, die unter einer schizoaffektiven Psychose leidet und deswegen unter rechtlicher
Betreuerin beantragt Unterbringung der Betroffenen und ärztliche Zwangsmaßnahmen
Die Betreuerin hat beim Betreuungsgericht beantragt, die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung sowie
Vorinstanzen verneinen in Betracht kommen einer Unterbringung nach gesetzlichen Vorgaben
Das Amtsgericht hat die beantragten Genehmigungen verweigert, das Landgericht hat die von der Betreuerin namens der Betroffenen hiergegen eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Beide Gerichte haben dies damit begründet, dass eine Unterbringung nach den gesetzlichen Vorgaben nicht in Betracht komme, weil die Betroffene bettlägerig sei und auch keinerlei Weglauftendenzen zeige. Ohne eine geschlossene Unterbringung gestatte das Gesetz aber auch keine ärztlichen
BGH äußert verfassungsrechtliche Zweifel und erbittet Vorabentscheidung des BVerfG
Der Bundesgerichtshof hat das Rechtsbeschwerdeverfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 1906 Abs. 3 BGB* mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Er hält das von den Vorinstanzen vertretene Verständnis der einfachrechtlichen Bestimmungen zu ärztlichen
BGH sieht in Ausschluss Betroffener ohne Weglauftendenz von ärztlichen Zwangsmaßnahmen Verstoß gegen Gleichheitssatz
Nach Überzeugung des Gerichts verstößt es aber gegen den Gleichheitssatz, dass eine in stationärem Rahmen erfolgende ärztliche Maßnahme nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB* (Untersuchung des Gesundheitszustands, Heilbehandlung oder ärztlicher Eingriff) gegen den natürlichen Willen des Betroffenen nur möglich ist, wenn der Betroffene zivilrechtlich untergebracht ist, nicht jedoch, wenn eine freiheitsentziehende Unterbringung ausscheidet, weil der Betroffene sich der Behandlung räumlich nicht entziehen will und/oder aus körperlichen Gründen nicht kann.
Regelung führt zum nachteiligen Ausschluss Betroffener ohne Weglauftendenz
Bei den Regelungen zu ärztlichen
Erläuterungen
* - § 1906 BGB Genehmigung des Betreuungsgerichts bei der Unterbringung
(1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den
[...]
2. zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.
[...]
(3) Widerspricht eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 Nummer 2 dem natürlichen Willen des Betreuten (ärztliche Zwangsmaßnahme), so kann der
1. der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann,
2. zuvor versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen,
3. die ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen der Unterbringung nach Absatz 1 zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden,
4. der erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere dem Betreuten zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann und
5. der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt. [...]
(3a) Die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts. [...]
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 15.07.2015
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
- Amtsgericht Stuttgart, Beschluss vom 21.01.2015
[Aktenzeichen: 3 XVII 29/15] - Landgericht Stuttgart, Beschluss vom 06.02.2015
[Aktenzeichen: 19 T 38/15]
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Dokument-Nr. 21304
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