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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15.12.2020
- 1 BvR 1395/19 -
Erfolglose Verfassungsbeschwerde eines Landkreises gegen familiengerichtliche Entscheidungen in einer Sorgerechtsangelegenheit
Landkreis darf mit Verfassungsbeschwerde nicht für Kindesrechte einstehen
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde eines Landkreises nicht zur Entscheidung angenommen, mit der dieser sich gegen familiengerichtliche Beschlüsse in einem das Sorgerecht für ein 13-jähriges Mädchen betreffenden Verfahren wendete. Der Landkreis, der Träger eines Jugendamtes ist, machte mit der Verfassungsbeschwerde sowohl die Verletzung von Grundrechten des Kindes als auch von eigenen Grundrechten geltend.
Im Zuständigkeitsbereich des Landkreises lebt das betroffene, 2007 geborene Mädchen mit seiner allein sorgeberechtigten Mutter. Mit ihrer Tochter zog die Mutter im Jahr 2016 in den Haushalt ihres Lebensgefährten, der im Jahr zuvor wegen Sexualstraftaten zu Lasten von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe, bei Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung, verurteilt worden war. Nachdem das Jugendamt von diesen Umständen erfahren hatte, regte es familiengerichtliche Maßnahmen zum Schutz des Kindes an. Im Rahmen des familiengerichtlichen Verfahrens entzog das Oberlandesgericht zunächst der Mutter unter anderem das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre Tochter.
OLG entzog der Mutter das Sorgerecht nicht
Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde der Mutter hob der Bundesgerichtshof diese Entscheidung auf und verwies die Sache an das Oberlandesgericht zurück. Nach weiterer Sachverhaltsaufklärung entzog dieses der Mutter das
BVerfG: Voraussetzungen einer ausnahmsweise zulässigen Prozessstandschaft hier nicht gegeben
Das BVerfG nahm die
Bestellung eines Ergänzungspflegers möglich
Die Rechte des Kindes können im konkreten Fall ohne Prozessstandschaft des Beschwerdeführers im Verfahren der
Auch Verfassungsbeschwerde durch bestellten Verfahrensbeiständin möglich
Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, die Interessen des Kindes durch eine
Keine eigenen Rechte des Landkreises aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG
Der Beschwerdeführer kann keine eigenen Rechte aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG geltend machen. Das staatliche Wächteramt des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG gewährt bereits kein materielles grundrechtsähnliches Recht. Es ist untrennbar mit dem Anspruch des Kindes auf Schutz durch den Staat verbunden; es enthält eine staatliche Verpflichtung, die sich in erster Linie daraus ergibt, dass das Kind als Grundrechtsträger und als Wesen mit eigener Menschenwürde und eigenem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Schutz durch den Staat hat. Die Anerkennung der Elternverantwortung findet ihre Rechtfertigung darin, dass das Kind des Schutzes und der Hilfe bedarf, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln, wie sie dem Menschenbild des Grundgesetzes entspricht. Hierüber hat der Staat zu wachen und notfalls das Kind, das sich nicht selbst zu schützen vermag, davor zu bewahren, dass seine Entwicklung durch einen Missbrauch der elterlichen Rechte oder eine Vernachlässigung Schaden erleidet. Das Wächteramt enthält daher die zum Anspruch des Kindes auf Schutz spiegelbildliche Pflicht des Staates, diesen Schutz auch zu gewährleisten. Rechte gegenüber dem Staat hat insoweit allein das Kind, dessen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und 2 GG durch diesen Anspruch gerade geschützt sind. Ein subjektives Recht der mit dem Wächteramt befassten Behörden kann hieraus jedoch nicht hergeleitet werden.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 15.02.2021
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)
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Dokument-Nr. 29840
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