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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.09.2023
- 1 BvR 2219/20 -
Verfassungsbeschwerde gegen die Durchsuchung eines Universitätslehrstuhls zur Auffindung von Forschungsunterlagen mangels Fristwahrung erfolglos
Forschungsfreiheit umfasst Vertraulichkeit erhobener Daten
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde eines Universitätsprofessors nicht zur Entscheidung angenommen. Dieser wendet sich gegen Gerichtsentscheidungen, mit denen die Durchsuchung der Räumlichkeiten seines Lehrstuhls und die Beschlagnahme von Forschungsunterlagen angeordnet bzw. bestätigt wurde. Er sieht sich in seiner Forschungsfreiheit verletzt.
Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Lehrstuhls an einem Institut für Psychologie. Im Rahmen eines Forschungsprojekts zur „Islamistischen Radikalisierung im Justizvollzug“ wurden im Justizvollzug Inhaftierte interviewt. In dem Informationsschreiben an die Interviewpartner heißt es unter anderem: „(…) Wir haben Schweigepflicht und dürfen der Gefängnisleitung oder anderen Bediensteten nichts von dem erzählen, was sie uns sagen. Nur wenn Sie uns von einer geplanten Straftat erzählen, müssen wir das melden.“ Zu den mit den Inhaftierten durchgeführten Interviews existierten – jeweils (noch) nicht anonymisiert beziehungsweise re-anonymisierbar – ein schriftliches Protokoll und ein elektronisch gesicherter Audiofile. Die zuständige Ermittlungsrichterin am Oberlandesgericht ordnete eine Durchsuchung der Räumlichkeiten des Lehrstuhls des Beschwerdeführers an, unter anderem nach Tonbandaufnahmen, schriftlichen Unterlagen und sonstigen Gegenständen, insbesondere einem Gesprächsprotokoll, mit Bezug zu dem Interviewten und dem zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossenen Forschungsprojekt. Zudem wurde die Beschlagnahme der Gegenstände angeordnet. Begründet wurde der Beschluss damit, dass gegen eine im Rahmen des Projekts interviewte Person der Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland bestünde. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer erfolglos eine Beschwerde. Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, dass dem Beschwerdeführer kein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gebiete weder eine andere Auslegung noch folge hieraus ein strafprozessuales Durchsuchungs- und Beschlagnahmeverbot. Eine Ausweitung der strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrechte sei Sache des Gesetzgebers und erfolge grundsätzlich nicht durch eine erweiternde Auslegung oder eine analoge Anwendung der einschlägigen Vorschriften. Selbst wenn dennoch eine Abwägung zwischen der Forschungsfreiheit einerseits und dem Strafverfolgungsauftrag andererseits geboten sein sollte, fiele die Abwägung zu Lasten der Forschungsfreiheit aus. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG durch die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen. Das Oberlandesgericht gehe von falschen Wertungen aus, indem einerseits auf die „Schwere der Tat und die Stärke des Tatverdachts“ abgestellt werde, während andererseits die Forschungsfreiheit „lediglich unerheblich beeinträchtigt“ sei.
Verfassungsbeschwerde wegen Verfristung unzulässig
Die
OLG verkennt Gewicht und Reichweite der Forschungsfreiheit
In der Sache bestehen jedoch erhebliche Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen. Das Beschwerdegericht hat Gewicht und Reichweite der Forschungsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) nicht angemessen berücksichtigt. Die Forschungsfreiheit umfasst auch die Erhebung und Vertraulichkeit von Daten im Rahmen wissenschaftlicher Forschungsprojekte als Bestandteil der Prozesse und Verhaltensweisen bei der Suche nach Erkenntnissen. Gerade empirische
Wissenschaft selbst dient Kriminalprävention
Vielmehr kommt der Wissenschaftsfreiheit bei der Abwägung ein umso höheres Gewicht zu, je stärker das konkrete Forschungsvorhaben und die entsprechenden Forschungsbereiche auf die Vertraulichkeit bei Datenerhebungen und -verarbeitungen angewiesen sind. Auch hätte gerade der Zusammenhang zwischen der konkret betroffenen
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 27.10.2023
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)
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Dokument-Nr. 33391
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