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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.03.2015
- 2 BvR 1111/13 -
Unterbringung eines vollständig entkleideten Strafgefangenen in videoüberwachter Zelle verletzt allgemeines Persönlichkeitsrecht
Wegnahme der Kleidung als besondere Sicherungsmaßnahme im Strafvollzug unterliegt strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen
Die Unterbringung eines vollständig entkleideten Strafgefangenen über mehr als einen Tag in einer durchgängig videoüberwachten Zelle ist mit dessen allgemeinem Persönlichkeitsrecht unvereinbar. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht. Darüber hinaus darf ein Gericht vor dem Hintergrund des Gebots effektiven Rechtsschutzes seiner Entscheidung nicht ohne weiteres die vom Strafgefangenen bestrittenen Ausführungen der Justizvollzugsanstalt zugrunde legen, sondern hat alle verfügbaren Erkenntnismittel auszuschöpfen, um den Sachverhalt festzustellen.
Der Beschwerdeführer war im Jahr 2010 in der Abteilung für psychisch auffällige Gefangene in der
Beschwerdeführer rügt Haftbedingungen
In seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung führte der Beschwerdeführer aus, dass bei der Verbringung in den besonders gesicherten
Justizvollzugsanstalt hielt weniger einschneidende Maßnahmen aufgrund einer befürchteten Eigengefährdung des Beschwerdeführers für nicht möglich
Demgegenüber führte die
LG und OLG verwerfen Antrag des Beschwerdeführers als unbegründet
Mit angegriffenem Beschluss vom 12. Juni 2012 wies das Landgericht Kassel den Antrag als unbegründet zurück. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verwarf die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 26. Februar 2013 als unzulässig. Eine Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung sei weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.
Entscheidung des Landgerichts verkennt allgemeines Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte sind, aber der verfassungsrechtlichen Prüfung daraufhin unterliegen, ob sie die Grenze zur Willkür überschreiten oder die Bedeutung eines Grundrechts grundsätzlich verkennen. Soweit der Beschluss des Landgerichts die Entscheidung der
Gefangenem muss zur Wahrung der Intimsphäre Ersatzkleidung aus schnell reißendem Material zur Verfügung gestellt werden
Die Zulässigkeit besonderer Sicherungsmaßnahmen richtet sich vorliegend nach dem - in Hessen bis 31. Oktober 2010 gültigen - § 88 des Strafvollzugsgesetzes des Bundes. Im Zusammenhang mit der Unterbringung in einem besonders gesicherten
Gefahr der Selbstverletzung wurde durch Justizvollzugsanstalt in keiner Weise konkretisiert
Das Landgericht hat die Unterbringung des vollständig entkleideten Beschwerdeführers in einer durchgängig videoüberwachten Zelle als zulässig erachtet und dabei festgestellt, dass die allgemeinen Erwägungen der
Landgericht hätte Angaben des Beschwerdeführers über Bedingungen seiner Unterbringung prüfen müssen
Soweit der Beschluss des Landgerichts die Art und Weise seiner Verbringung in den besonders gesicherten
Landgericht hätte für Feststellung des Sachverhalts alle verfügbaren Erkenntnismittel ausschöpfen müssen
Wird - wie vorliegend - die Sachverhaltsdarstellung der
OLG-Beschluss verletzt Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz
Der Beschluss des Oberlandesgerichts, mit dem die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers trotz der ins Auge springenden Grundrechtsverletzungen als unzulässig verworfen wird, verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG.
Die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts werden daher aufgehoben und die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 16.04.2015
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
Jahrgang: 2015, Seite: 2100 NJW 2015, 2100
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Dokument-Nr. 20907
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