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Landgericht Berlin, Urteil vom 08.05.2008
- 21 S 1/08 -
Privates Kreditinstitut zur Einrichtung eines Girokontos auf Guthabenbasis verpflichtet
Jeder hat Anrecht auf ein Konto - auch bei Privatbanken
Auch ein privates Kreditinstitut muss einem "unerwünschten" Kunden ggf. ein Girokonto auf Guthabenbasis einrichten. Dazu ist es unter dem Gesichtspunkt des Kontrahierungszwangs verpflichtet. Dies hat das Landgericht Berlin entschieden.
Der arbeitslose Kläger hatte ein Girokonto bei einem privaten Bankinstitut eröffnet. Auf dem Konto gingen u.a. die monatlichen Zahlungen des Job-Centers ein. Nachdem Gläubiger das Konto gepfändet hatten, sah die später verklagte Bank keine Perspektive, dass in absehbarer Zeit die Pfändung aufgehoben werden könne. Daraufhin kündigte sie das Konto. Der Kläger bemühte sich sodann, ein Girokonto zu eröffnen, was die Bank ablehnte. Im Wege der einstweiligen Verfügung beantragte der Kläger daraufhin, bis zur Entscheidung in der Hauptsache das bestehende Konto auf Guthabenbasis fortzuführen, hilfsweise bis dahin entsprechend ein neues Girokonto einzurichten. Diesen Antrag wies das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg in erster Instanz zurück. Das Landgericht Berlin hob das Urteil auf und verpflichtete die Bank zur Einrichtung eines Girokontos für den Kläger. Die Bank sei, so das Landgericht Berlin, ausnahmsweise verpflichtet, dem Kläger die Führung eines Kontos auf Guthabenbasis (d.h. ohne das Recht zur Überziehung) zu ermöglichen.
Empfehlung des ZKA ist nicht rechtsverbindlich
Dies ergebe sich allerdings nicht unmittelbar aus der Empfehlung des ZKA (Zentraler Kreditausschuss) zum sogenannten "Girokonto für Jedermann". Der ZKA ist ein Zusammenschluss der Spitzenverbände der deutschen Banken. Es sei weder ersichtlich, dass die beklagte Bank Mitglied eines der Bundesverbände sei, noch sei ersichtlich, dass und auf welcher Grundlage der Bundesverband bzw. der ZKA rechtsverbindliche Erklärungen für eine einzelne Bank abgeben könne.
Keine Verpflichtung zum Abschluss eines Kontos aus Gesetz
Auch bestehe für Banken grundsätzlich keine gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss eines Girovertrags. Eine solche Verpflichtung sei bislang lediglich in einigen Bundesländern - nicht aber in Berlin - für öffentlich-rechtliche Sparkassen in die dort geltenden Sparkassenverordnungen aufgenommen worden. Für Privatbanken gebe es eine vergleichbare gesetzliche Regelung nicht.
Negative Vertragsfreiheit versus Kontrahierungszwang
Jedoch sei die beklagte Bank unter dem Gesichtspunkt des Kontrahierungszwangs ausnahmsweise verpflichtet, dem Kläger die Führung eines Kontos auf Guthabenbasis zu ermöglichen. Im bürgerlichen Recht gelte im Grundsatz zwar die negative Vertragsfreiheit, d.h. der Empfänger eines Angebots könne wählen, ob er es annehme oder nicht. Ausnahmsweise könne aber auch ohne eine gesetzliche Regelung aus allgemeinen Rechtsprinzipien ein
Kontrahierungszwang ist zu bejahen ...
Im dem Urteil zugrunde liegenden Fall sei ein solcher
… obwohl beklagte Bank kein Monopol auf Girokonten hat
Der zu beurteilende Fall unterscheide sich von den bisher anerkannten Fällen des Kontrahierungszwangs allerdings dadurch, dass die beklagte
Voraussetzungen für Kontrahierungszwang
Vorliegend bestünden andere, ebenso schwer wie eine marktbeherrschende Stellung wiegende Gründe, die einen Zwang zum
1. Angewiesenheit auf die Leistung
Diese sei für die Führung eines Girokontos ohne weiteres zu bejahen. Eine praktische Möglichkeit der Teilnahme am Wirtschaftsleben bestehe ohne ein Girokonto heute nicht mehr. Weder der Dienstherr eines Beamten noch ein privater Arbeitgeber werde schon wegen des damit verbundenen Aufwands zur Barauszahlung von Gehalt bereit sein. Gleiches gelte für existentielle Verbindlichkeiten wie Miete, Energiekosten etc. Die überragende Bedeutung eines Girokontos werde nicht zuletzt auch von der Bankwirtschaft anerkannt.
2. Zumutbare Alternativen
Eine zumutbare andere Möglichkeit, ein Girokonto zu eröffnen, bestehe nicht. Der Kläger habe glaubhaft gemacht, dass er sich bei mehreren verschiedenen Kreditinstituten vergeblich um die Eröffnung eines Girokontos bemüht habe. Mehr könne von ihm nicht verlangt werden. Wegen der vorhandenen Kontenpfändung sei der Kläger ein kaum vermittelbarer Neukunde. Insbesondere könne der Kläger auch nicht an eine öffentlich-rechtliche
3. Kein sachlicher Grund zur Ablehnung des Klägers
Es bestehe auch kein sachlicher Grund zur Ablehnung des Klägers. Einen solchen Grund könnten allein diejenigen Zumutbarkeitsgründe darstellen, die nach der ZKA-Empfehlung der Pflicht zum
Auszug aus dem Gesetz:
§ 826 BGB - Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 15.10.2008
Quelle: ra-online (we)
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Dokument-Nr. 6829
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