Hier beginnt die eigentliche Meldung:
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2016
- L 9 R 695/16 -
Einschränkungen bei der neuen "Rente mit 63" rechtmäßig
Zeiten der Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn grundsätzlich nicht auf notwendige Versicherungszeiten anrechenbar
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat Einschränkungen bei der neuen "Rente mit 63" für rechtmäßig befunden. Zeiten der Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn werden im Regelfall nicht auf die notwendigen Versicherungszeiten von 45 Jahren (sogenannte Wartezeit) angerechnet. Damit sollen Fehlanreize vermieden werden, insbesondere eine faktische "Rente mit 61" zu Lasten der Sozialversicherung.
Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der im August 1951 geborene, bei einem großen Stuttgarter Automobilhersteller beschäftigte Versicherte beendete aus gesundheitlichen Gründen sein Arbeitsverhältnis mit Aufhebungsvertrag zum 31. Dezember 2011 und erhielt eine Abfindung in Höhe von 45.000 Euro. Anschließend bezog er zwei Jahre
Rentenversicherung verneint Berücksichtigung von Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn
Die Deutsche Rentenversicherung lehnte dies ab, da keine 45 Versicherungsjahre (= 540 Beitragsmonate) vorlägen, es fehlten 15 Monate. Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs könnten in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn grundsätzlich nicht berücksichtigt werden; eine Ausnahme bestehe nur bei vollständiger Geschäftsaufgabe oder Insolvenz des Arbeitgebers. Der Versicherte erhielt sodann eine niedrigere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bewilligt.
Kläger rügt Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz
Mit seiner Klage machte der Versicherte geltend, dass ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliege. Mit seinen Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs komme er auf 542 Monate anrechenbare Zeiten.
"Rente mit 63" soll keine "Rente mit 61" zu Lasten der Sozialversicherung werden
Die Klage war vor dem Sozialgericht Ulm erfolglos. Auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg gab der Deutschen Rentenversicherung Recht. Die Regelungen zur Anrechnung von Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, betonte das Gericht. Der Gesetzgeber hat den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht verletzt. Die Erwägung, Fehlanreize in Richtung Frühverrentung zu vermeiden, ist nachvollziehbar; aus der "Rente mit 63" soll keine "Rente mit 61" zu Lasten der Sozialversicherung werden. Zur Vermeidung von Härtefällen gibt es eine Ausnahmeregelung, wodurch die Interessen der Versicherten ausreichend geschützt werden. Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs können in den zwei Jahren vor Rentenbeginn ausnahmsweise doch angerechnet werden, wenn sie durch „Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers“ bedingt sind. Ein solcher Fall hat aber nicht vorgelegen.
Sozialgesetzbuch (SGB)
§ 236 b Abs. 1 SGB VI (Altersrente für besonders langjährig Versicherte)
Versicherte, die vor dem 1. Januar 1964 geboren sind, haben frühestens Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn sie
1.das 63. Lebensjahr vollendet und
2.die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt
haben.
§ 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 – 3 SGB VI (Anrechenbare Zeiten)
Auf die Wartezeit von 45 Jahren werden Kalendermonate angerechnet mit
1. Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit,
2. Berücksichtigungszeiten,
3. Zeiten des Bezugs von
a) Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung,
b) Leistungen bei Krankheit und
c) Übergangsgeld,
soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind; dabei werden Zeiten nach Buchstabe a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, es sei denn, der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt.
Werbung
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 20.07.2016
Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online
- "Bestandsrentner" kann nicht in abschlagsfreie Rente mit 63 wechseln
(Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.08.2015
[Aktenzeichen: L 6 R 114/15]) - Keine abschlagsfreie Altersrente mit 63 für Bestandsrentner mit Abschlägen
(Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 12.06.2015
[Aktenzeichen: S 61 R 108/15])
Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Dokument-Nr. 22926
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://www.kostenlose-urteile.de/Urteil22926
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.
Senden Sie uns diese Entscheidungen doch einfach für kostenlose-urteile.de zu. Unsere Redaktion schaut gern, ob sich das Urteil für eine Veröffentlichung eignet.