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Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 02.07.2019
6 UF 238/17 -

Zusatz­versorgungs­kasse kann bei scheidungsbedingter Teilung des Rentenanrechts Ehegatten eines Versicherten nicht ohne Weiteres in anderen Tarif verweisen

Vorgesehener Wechsel in Tarif für freiwillig Versicherte verstößt gegen Gebot der gleichwertigen Teilhabe

Die Regelung der Evangelischen Zusatz­versorgungs­kasse (EZVK) zur Durchführung des Versorgungs­aus­gleichs im Fall der Scheidung eines pflichtversicherten Mitglieds (§ 44 Abs. 3 der Satzung) ist nichtig. Der dort vorgesehene Wechsel des aus­gleichs­berechtigten Ehegatten in den Tarif für freiwillig Versicherte verstößt gegen das Gebot der gleichwertigen Teilhabe (§ 11 VersAusglG). Dies entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Die Entscheidung hat Bedeutung für die rund 700.000 Versicherten der EZVK.

Im zugrunde liegenden Fall war im Rahmen eines Scheidungsverbundverfahrens über den Ausgleich von Anrechten aus Zusatzversorgungskassen zu entscheiden. Der Ehemann hatte Ansprüche bei der EZVK erworben, die Ehefrau Ansprüche in der Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes.

Der Versorgungsausgleich

Im Zuge einer Ehescheidung wird in der Regel ein Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei sollen alle in der Ehezeit aufgebauten Anrechte auf Versorgung im Alter einzeln betrachtet und ihr Wert jeweils hälftig zwischen den Ehegatten ausgeglichen werden. Ziel des Versorgungsausgleichs ist die gleichmäßige Teilhabe der Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Ansprüchen aus Altersvorsorge. Der Versorgungsausgleich erfolgt vorrangig durch die sogenannte interne Teilung der Anrechte. Das Familiengericht begründet dabei zugunsten des jeweils ausgleichsberechtigten Ehegatten bei dem jeweiligen Versorgungsträger ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts, welcher dem hälftigen Wert des ehezeitlichen Anrechts möglichst nahekommen soll. Wegen der Einzelheiten der Durchführung der Teilung eröffnet der Gesetzgeber dem Versorgungsträger einen gewissen Gestaltungsspielraum (§ 10 Abs. 3, § 11 Abs. 1 VersAusglG), den dieser durch Regelungen in Versicherungsbedingungen oder seiner Satzung ausfüllen kann. Die getroffene Regelung ist durch das Familiengericht darauf zu überprüfen, ob sie das Gebot der nicht exakt gleichen, aber doch gleichwertigen Teilhabe der Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten wahrt.

Träger der Zusatzversorgung für ausgleichsberechtigten Ehegatten darf keinen Wechsel in Tarif für freiwillig Versicherte vorsehen

Das Familiengericht hatte im vorliegenden Fall die Gleichartigkeit der beiderseitigen Anrechte aus diesen Zusatzversorgungen verneint und nur das Anrecht des Ehemanns bei der EZVK entsprechend deren Vorschlag durch interne Teilung beim Versorgungsausgleich berücksichtigt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main Erfolg. Anrechte in den Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen und des kirchlichen Dienstes seien gleichartig, stellte das Oberlandesgericht fest. Das gelte auch für Anrechte bei der EZVK, weil deren Satzungsregelung nichtig sei, soweit sie anders als die Satzungen anderer Träger der Zusatzversorgung für den ausgleichsberechtigten Ehegatten einen Wechsel in den Tarif für freiwillig Versicherte vorsehe. Diesen Tarif biete die EZVK pflichtversicherten Mitgliedern als Zusatzversicherung an. Die Satzung der EZVK gewährleiste insoweit keine gleichwertige Teilhabe der Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten (§ 11 Absatz 1 S. 1 VersAusglG). Im entschiedenen Fall würde die ausgleichsberechtigte Ehefrau aus der freiwilligen Versicherung bis zur Vollendung des 80. Lebensjahres geringere Leistungen erhalten, als ihr bei Teilung in der Pflichtversicherung zustünde. In der Chance auf spätere (nach Vollendung des 80. Lebensjahres) höhere Leistungen liege angesichts ihres Vorversterbensrisikos kein angemessener Ausgleich. Zudem seien die garantierten Leistungen in der Pflichtversicherung höher, während Versicherte im Tarif der freiwilligen Versicherung nur auf Überschussbeteiligungen hoffen könnten, womit sie ein höheres Kapitalmarktrisiko tragen würden.

Für das zu Gunsten der Ehefrau übertragene Anrecht seien deshalb die Regelungen über das Anrecht des Ehemanns entsprechend anzuwenden.

Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Oberlandesgericht hat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen. Die Frage, ob der in der Satzung der EZVK vorgesehene Tarifwechsel bei interner Teilung eines Anrechts auf Pflichtversicherung dem Gebot der gleichwertigen Teilhabe entspreche, sei bislang nicht entschieden und stelle sich in einer Vielzahl von Verfahren.

Erläuterung:

§ 44 Abs. 3 Satzung der EZVK:

[...]

(3) Wird vom Familiengericht für die ausgleichsberechtigte Person ein Anrecht übertragen, erwirbt die ausgleichsberechtigte Person bezogen auf das Ende der Ehezeit ein von einer eigenen Pflicht- oder freiwilligen Versicherung unabhängiges Anrecht in der freiwilligen Versicherung nach Maßgabe der jeweils geltenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen und gilt als beitragsfrei versichert.

§ 10 VersAusglG Interne Teilung

(1) Das Familiengericht übertragt für die ausgleichsberechtigte Person zulasten des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei dem Versorgungsträger, bei dem das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person besteht (interne Teilung).

(2) Sofern nach der internen Teilung durch das Familiengericht für beide Ehegatten Anrechte gleicher Art bei demselben Versorgungsträger auszugleichen sind, vollzieht dieser den Ausgleich nur in Höhe des Wertunterschieds nach Verrechnung. 2 Satz 1 gilt entsprechend, wenn verschiedene Versorgungsträger zuständig sind und Vereinbarungen zwischen ihnen eine Verrechnung vorsehen.

(3) Maßgeblich sind die Regelungen über das auszugleichende und das zu übertragende Anrecht.

§ 11 VersAusglG Anforderungen an die interne Teilung

(1) Die interne Teilung muss die gleichwertige Teilhabe der Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten sicherstellen. Dies ist gewährleistet, wenn im Vergleich zum Anrecht der ausgleichspflichtigen Person

1. für die ausgleichsberechtigte Person ein eigenständiges und entsprechend gesichertes Anrecht übertragen wird,

2. ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts mit vergleichbarer Wertentwicklung entsteht und

3. der gleiche Risikoschutz gewährt wird; der Versorgungsträger kann den Risikoschutz auf eine Altersversorgung beschränken, wenn er für das nicht abgesicherte Risiko einen zusätzlichen Ausgleich bei der Altersversorgung schafft.

(2) Für das Anrecht der ausgleichsberechtigten Person gelten die Regelungen über das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person entsprechend, soweit nicht besondere Regelungen für den Versorgungsausgleich bestehen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 23.07.2019
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm/kg)

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