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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.03.2015
2 AZR 517/14 -

BAG: Fehlende Information über Untersuchungshaft rechtfertigt grundsätzlich nur bei schwerem Verstoß gegen Anzeigepflicht fristlose Kündigung des Arbeitnehmers

Schwerwiegender Verstoß bei vorsätzlicher und beharrlicher Unterlassung der Mitteilung

Kommt ein Arbeitnehmer in Untersuchungshaft und informiert er seinen Arbeitgeber nicht darüber, so kommt nur dann eine fristlose Kündigung in Betracht, wenn durch die unterlassene Mitteilung besonders schwerwiegend die arbeitsvertragliche Informationspflicht verletzt wird. Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich und beharrlich die Mitteilung unterlässt. Dies hat das Bundes­arbeits­gericht entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall geriet ein Dipol-Informatiker im April 2011 in Untersuchungshaft, da der Verdacht bestand, dass er mehrere Straftaten begangen hat. In der Folgezeit informierte er nicht seine Arbeitgeberin, ein IT-Unternehmen, über die Untersuchungshaft. Sie wusste daher weder den Grund seiner Verhaftung noch den Ort seiner Unterbringung. Die Arbeitgeberin kündigte deshalb im Juni 2011 das Arbeitsverhältnis fristlos. Dagegen setzte sich der Arbeitnehmer mit seiner Klage zur Wehr. Während das Arbeitsgericht Frankfurt a.M. der Klage stattgab, wies sie das Hessische Landesarbeitsgericht ab. Dagegen richte sich die Revision des Arbeitnehmers.

Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung

Das Bundesarbeitsgericht entschied zu Gunsten des Arbeitnehmers und hob daher die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auf. Die fristlose Kündigung sei unwirksam gewesen, da es dazu an einem wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB gefehlt habe.

Keine Verletzung der Arbeitspflicht

Die fristlose Kündigung habe nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts zunächst nicht auf eine Verletzung der Hauptpflicht zur Arbeitsleistung gestützt werden können. Denn an deren Erfüllung sei der Arbeitnehmer wegen der Inhaftierung gehindert gewesen.

Pflicht des Arbeitnehmers zur Information

Das Bundesarbeitsgericht verwies aber auf die Nebenpflicht des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber im Rahmen des Zumutbaren unaufgefordert und rechtzeitig darüber zu informieren, dass und warum er seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen könne. Werde ein Arbeitnehmer in Untersuchungshaft genommen, müsse er daher dem Arbeitgeber diesen Umstand unverzüglich mitteilen und ihn im Rahmen des Möglichen über die voraussichtliche Haftdauer in Kenntnis setzen. Dem sei der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall nicht nachgekommen.

Kein Kündigungsrecht wegen Verletzung der Informationspflicht

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts rechtfertige jedoch die Verletzung der Informationspflicht nicht ohne weiteres eine fristlose Kündigung. Vielmehr müsse gegen die Anzeigepflicht besonders schwer verstoßen werden. Daran habe es im vorliegenden Fall gefehlt.

Kein vorsätzlicher und beharrlicher Verstoß gegen Mitteilungspflicht

Soweit das Landesarbeitsgericht einen vorsätzlichen und beharrlichen Verstoß gegen die Mitteilungspflicht sah, folgte dem das Bundesarbeitsgericht nicht. Zwar sei es für den Arbeitnehmer erkennbar gewesen, dass er sich pflichtwidrig verhalte. Daraus dürfe aber nicht gefolgert werden, er habe vorsätzlich und beharrlich seine Anzeigepflicht verletzt. Vielmehr könne sein Verhalten auch auf Nachlässigkeit beruht haben.

Keine Planungssicherheit der Arbeitgeberin durch zeitgerechte Information

Weiterhin berücksichtigte das Bundesarbeitsgericht, dass die Arbeitgeberin auch durch eine zeitgerechte Information nicht wesentlich mehr Planungssicherheit gewonnen hätte. Denn die Untersuchungshaft sei regelmäßig mit erheblichen Unwägbarkeiten bezüglich des "Ob" und "Wann" ihrer Aufhebung und damit der möglichen Rückkehr des Arbeitsnehmers in den Betrieb verbunden.

Keine Arbeitnehmerpflicht zur Information über Haftanstalt

Es sei nach Überzeugung des Bundesarbeitsgerichts zudem unzulässig gewesen, einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die Informationspflicht anzunehmen, weil es der Arbeitnehmer durch sein Verhalten der Arbeitgeberin erschwert habe, seinen Aufenthaltsort in Erfahrung zu bringen. Der Arbeitnehmer sei generell nicht verpflichtet, seinen Arbeitgeber darüber zu informieren, in welcher Haftanstalt er sich befindet. Es genüge für die Erreichbarkeit, dass der Arbeitnehmer eine Zustellanschrift, wie zum Beispiel die Wohnanaschrift, mitteile. Dies gelte auch während der Untersuchungshaft. Der Arbeitnehmer müsse einen unter seiner Wohnanschrift bewirkten Zugang auch in dieser Zeit gegen sich gelten lassen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 01.06.2016
Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

Vorinstanzen:
  • Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 22.03.2012
    [Aktenzeichen: 21 Ca 4130/11]
  • Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 02.12.2013
    [Aktenzeichen: 16 Sa 1248/12]
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Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift: Der Betrieb (DB)
Jahrgang: 2015, Seite: 2520
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 | Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW)
Jahrgang: 2016, Seite: 103
NJW 2016, 103
 | Zeitschrift: NJW-Spezial
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Dokument-Nr.: 22687 Dokument-Nr. 22687

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