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Verwaltungsgericht Hannover, Beschluss vom 23.07.2020
- 3 B 2818/20 -
Keine Beschränkung bei der Vergabe von Integrationsplätzen in Kindertagesstätte auf sog. "Gemeindekinder"
Gemeindekindervorbehalt in Benutzungssatzung rechtswidrig
Das Verwaltungsgericht Hannover hat entschieden, dass eine Gemeinde die Vergabe von Integrationsplätzen in ihrer Kindertagesstätte nicht auf sogenannte Gemeindekinder beschränken darf.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kinder erhalten seit dem Jahr 2018 von der Region Hannover als Sozialhilfeträger eingliederungshilferechtliche Frühförderung. Seit Jahresbeginn 2019 belegen sie dafür zwei Integrationsplätze in einer
Gemeinde lehnte weiter Betreuung der Kinder wegen Umzug in Nachbargemeinde ab
Zu Beginn dieses Jahres zog die Familie der Antragsteller in das Gebiet der
Eilrechtsschutzantrag erfolgreich
Dem dagegen von den Antragstellern gestellten Eilrechtsschutzantrag hat das VG im Wesentlichen stattgegeben. Antragsgegnerin war insoweit die Region Hannover, die sowohl als örtlicher Jugendhilfeträger als auch als örtlicher Sozialhilfeträger für eine bedarfsgerechte Tagesbetreuung von noch nicht schulpflichtigen Kindern rechtlich verantwortlich ist. Materiell richtet sich der geltend gemachte Anspruch aus Sicht des Gerichts vorrangig nach § 79 SGB IX, da Maßnahmen der Frühförderung (d.h. Eingliederungsmaßnahmen für noch nicht eingeschulte entwicklungsbeeinträchtigte Kinder) unabhängig von der Art der bei den betroffenen Kindern vorhandenen Beeinträchtigungen nach Landesrecht vorrangig dem Sozialhilferecht zugewiesen sind.
Einrichtungswechsel wegen personale und organisatorische Betreuungskontinuität unzumutbar
Das VG ist in Auswertung der im Verfahren vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen und Entwicklungsberichte der derzeitigen Betreuungseinrichtung zu der Überzeugung gelangt, dass den Antragstellern in ihrem aktuellen Entwicklungsstand ein Einrichtungswechsel aus eingliederungsfachlichen Gründen nicht zumutbar ist. Aus allen fachlichen Stellungnahmen ergebe sich ein besonderer Schwerpunkt der Förderung im sozio-emotionalen Bereich, da die Kinder eine ausgeprägte soziale Ängstlichkeit aufwiesen. Sie seien deshalb auf eine möglichst weitgehende personale und organisatorische Betreuungskontinuität zwingend angewiesen, um ihre schon während der zweimonatigen Schließung der bisherigen Einrichtung im Lockdown erkennbar eingetretenen erheblichen Entwicklungsrückschritte in diesem Bereich kompensieren und anschließend weitere Entwicklungsfortschritte erzielen zu können. Ein Einrichtungswechsel, mit dem einherginge, dass die Antragsteller gleichzeitig mit einer ihnen unbekannten Umgebung, unbekannten Abläufen und Ritualen, unbekannten Kindern und unbekannten erwachsenen Betreuungspersonen konfrontiert seien, würde sich demgegenüber mit großer Wahrscheinlichkeit geradezu kontraproduktiv auf die Erreichung der mit der Frühförderung verfolgten sozio-emotionalen Entwicklungsziele auswirken und bereits erreichte Entwicklungsfortschritte zunichtemachen. Deshalb seien die für die Antragsteller in einer
"Gemeindekindervorbehalt" in Bezug auf die Belegung von Integrationsplätzen rechtswidrig
Der in der Benutzungssatzung der Beigeladenen geregelte "Gemeindekindervorbehalt" sei zumindest in Bezug auf die Belegung von Integrationsplätzen insoweit rechtswidrig, da er gegen das höherrangige Recht auf Zuweisung eines bedarfsgerechten Integrationsplatzes, der sich vorliegend wegen der Besonderheiten des Einzelfalls auf eine weitere Betreuung gerade in der bisher besuchten Einrichtung verdichtet habe, verstoße. Derartige Plätze dürften von der Gemeinde als Einrichtungsträgerin zudem bereits dem Grunde nach nicht autonom, sondern nur im Benehmen mit der Region als örtlich zuständigem Sozialhilfeträger vergeben werden. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht werde insoweit von dem materiellen Leistungsrecht eingeschränkt.
VG verweist auf Weisungsrecht für der Region Hannover
Die den Gemeinden nach § 13 Abs. 1 AG KJHG für die Kindertagesbetreuung gesetzlich eröffnete Wahrnehmungsverantwortung erstrecke sich nicht auf die Vergabe von Integrationsplätzen, denn sie beziehe sich nur auf die dahingehenden originär jugendhilferechtlichen Aufgaben. Da die Antragsgegnerin als örtlicher Sozialhilfeträger den Antragstellern gegenüber für die Gewährung der bedarfsgerechten Eingliederungshilfe rechtlich verantwortlich ist, steht ihr nach Rechtsauffassung des VG ein Weisungsrecht gegenüber der Beigeladenen zu, um den bestehenden Anspruch auf Verschaffung der bedarfsgerechten Plätze auch erfüllen zu können. Gegen die Entscheidung kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde zum Nds. Oberverwaltungsgericht eingelegt werden.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 27.07.2020
Quelle: Verwaltungsgericht Hannover, ra-online (pm/ab)
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Dokument-Nr. 29003
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