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Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.10.2019
- VIII ZR 21/19 -
BGH zur Härtefallabwägung bei einer Mieterhöhung nach Modernisierung
Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahme kann Härtefall begründen
Der BGH hat sich mit den Maßstäben befasst, nach denen sich die Abwägung zwischen den Interessen der Mietvertragsparteien richtet, wenn sich der Wohnraummieter gegenüber einer Modernisierungsmieterhöhung auf das Vorliegen einer unzumutbaren Härte beruft. Zugleich hat er die Voraussetzungen präzisiert, unter denen der Härteeinwand des Mieters nach § 559 Abs. 4 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist, weil die Modernisierungsmaßnahme (hier: Wärmedämmmaßnahmen bei Erneuerung eines teilweise schadhaften Außenputzes) aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung des Vermieters durchgeführt wurde.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist Mieter einer knapp 86 qm großen Wohnung der Beklagten in Berlin, in der er seit seinem fünften Lebensjahr wohnt und die er inzwischen allein nutzt. Die Wohnung liegt in einem Mehrfamilienhaus aus dem Jahr 1929. Der Mietvertrag über die Wohnung wurde im Jahr 1962 von den Eltern des Klägers abgeschlossen. Der Kläger bezieht Arbeitslosengeld II und erhält zur Deckung der Wohnungsmiete monatlich einen Betrag von ca. 463,10 €. Seit Juni 2016 betrug die Kaltmiete für die Wohnung 574,34 € pro Monat zuzüglich eines Heizkostenvorschusses in Höhe von 90,- €.
Mehrfamilienhaus aus dem Jahr 1929 wurde saniert
Die beklagte Vermieterin ließ Dämmungsarbeiten an der obersten Geschossdecke und der Außenfassade durchführen, ersetzte die bisherigen Balkone durch größere Balkone mit einer Fläche von jeweils ca. 5 qm und nahm einen seit den 1970-iger Jahren stillgelegten Fahrstuhl wieder in Betrieb.
Gegen die Mieterhöhung nach der Sanierung klagte der Mieter
Ende März 2016 erklärte die Beklagte dem Kläger gegenüber schriftlich die Erhöhung der Kaltmiete ab dem 1. Januar 2017 um 240,- € monatlich. Hiervon entfielen nach ihren Erläuterungen 70,- € auf die Dämmungsarbeiten (davon 4,16 € auf die Dämmung der obersten Geschossdecke), 100,- € auf den Anbau der neuen Balkone und weitere 70,- € auf die Wiederinbetriebnahme des Fahrstuhls. Hiergegen wandte der Kläger ein, die
Vorinstanzen vertraten unterschiedliche Auffassung
Das Amtsgericht hat lediglich festgestellt, dass der Mieter nicht zur Zahlung der
Vermieterin legte Revision ein
Die beklagte Vermieterin hat im Revisionsverfahren vor allem geltend gemacht, dass nach den für staatliche Transferleistungen geltenden Vorschriften für einen Einpersonenhaushalt lediglich eine Wohnfläche von 50 qm als angemessen gelte. Die Wohnung des - Arbeitslosengeld II beziehenden - Mieters sei aber knapp 86 qm groß und übersteige damit diese Grenze erheblich. Letztlich laufe die einen
Wohnungsgröße ist in Härtefallabwägung einzubeziehen
Der Bundesgerichtshof hat den Einwand der Vermieterin nicht durchgreifen lassen. Der Umstand, dass ein Mieter gemessen an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und seinen Bedürfnissen eine viel zu große Wohnung nutzt, ist zwar in die nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen zu Lasten des Mieters einzubeziehen. Ein solcher Sachverhalt liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn der Mieter eine Wohnung nutzt, die gemessen an den Ausführungsvorschriften zur Gewährung von staatlichen Transferleistungen oder an den Vorschriften für die Bemessung von Zuschüssen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau zu groß ist.
Mieterschutz nach Modernisierungen verfolgt einen anderen Regelungszweck
Die Vorschriften zur angemessenen
Auch der Mieter genießen den Schutz der Eigentumsgewährleistung
Weiter ist zu beachten, dass nicht nur der Vermieter, sondern auch der Mieter den Schutz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG genießt. Daher kann er bei der Anwendung des § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB und der Auslegung des dort enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffs "Härte" verlangen, dass die Gerichte die Bedeutung und Tragweite seines Bestandsinteresses hinreichend erfassen und berücksichtigen.
Unangemessenheit einer Wohnung nicht isoliert zu betrachten
Gemessen daran kann die einer Berufung auf einen
Untervermietung stellt neuen Sachvortrag dar
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Vermieterin erstmals in der Revisionsverhandlung pauschal eingewendet hat, der Mieter sei gehalten gewesen, einen Teil der Wohnung unterzuvermieten und sich dadurch finanzielle Mittel zu verschaffen, handelt es sich um neuen Sachvortrag der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Vermieterin, der schon deshalb in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden kann. Zudem ist offen, ob die Wohnung überhaupt zur Untervermietung geeignet ist, ob die Vermieterin einer solchen zu den bisherigen Konditionen zustimmen würde und ob dem Mieter überhaupt ein Zusammenleben mit einem Untermieter zuzumuten ist.
BGH hebt Berufsurteil auf
Der Bundesgerichtshof hat somit die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts zum Vorliegen einer unzumutbaren Härte gebilligt. Gleichwohl musste das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, weil dieses keine ausreichenden Feststellungen zum Vorliegen der Ausnahmefälle des § 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB getroffen hat, bei deren Vorliegen ein Härteeinwand des Mieters gesetzlich ausgeschlossen ist.
Feststellung der Modernisierungsmaßnahme "Balkone" unzureichend
Bezüglich der Modernisierungsmaßnahme "Vergrößerung der Balkone auf 5 qm" hat das Berufungsgericht keine tragfähigen Feststellungen zu der entscheidenden Frage getroffen, ob Balkone dieser Größe allgemein üblich, also bei mindestens 2/3 aller vergleichbaren Gebäude gleichen Alters unter vergleichbaren Verhältnissen in der Region anzutreffen sind. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lassen sich allein aus dem Umstand, dass der Berliner Mietspiegel einen Balkon ab 4 qm Fläche als wohnwerterhöhendes Merkmal einstuft, insoweit keine verlässlichen Schlussfolgerungen ziehen.
Einwand hinsichtlich Modernisierungsmaßnahme "Fassadendämmung"
Hinsichtlich der Modernisierungsmaßnahme "Fassadendämmung" hat das Berufungsgericht verkannt, dass § 9 Abs. 1 EnEV dem Eigentümer im Falle der Erneuerung des Außenputzes an Fassadenflächen zwar vorgibt, Wärmedämmungsmaßnahmen durchzuführen, ihm aber eine Verpflichtung, den Außenputz zu erneuern, gerade nicht auferlegt. Vielmehr steht es regelmäßig im freien Belieben des Vermieters, ob und wann er eine Erneuerung des Außenputzes vornimmt. Erst wenn er sich hierzu entschlossen hat, verpflichtet ihn das Gesetz zur Einhaltung bestimmter Wärmedämmwerte.
BGH zum Ausschluss des Härteeinwands
§ 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BGB schließt den Härteeinwand des Mieters aber nur dann aus, wenn der Vermieter die Durchführung einer Modernisierungsmaßnahme nicht zu vertreten hat, sich ihr also aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften nicht entziehen kann. Es kommt daher darauf an, ob für den Vermieter eine Erneuerung des Außenputzes "unausweichlich" ist, etwa weil dieser aufgrund altersbedingten Verschleißes zu erneuern ist und sich der Vermieter zudem einem berechtigten Instandsetzungsbegehren des Mieters oder einer (bestandskräftigen) behördlichen Anordnung ausgesetzt sieht beziehungsweise die Beseitigung von Schäden dringend aus Sicherheitsgründen geboten ist. Nur im Falle einer solchen "Unausweichlichkeit" befindet sich der Vermieter in einer Zwangslage, die den Ausschluss des Härteeinwands des Mieters nach § 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BGB rechtfertigt. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden, damit - gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 11.10.2019
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)
- Amtsgericht Berlin-Charlottenburg , Urteil vom 16.08.2017
[Aktenzeichen: 234 C 257/16] - Landgericht Berlin, Urteil vom 14.11.2018
[Aktenzeichen: 64 S 197/17]
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Dokument-Nr. 27954
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