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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26.03.2019
- 1 BvR 673/17 -
Vollständiger Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien verfassungswidrig
Gesetzgeber muss bis zum 31. März 2020 Neuregelung treffen
Der vollständige Ausschluss der Stiefkindadoption allein in nichtehelichen Familien verstößt gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Es ist mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar, dass der Stiefelternteil in nichtehelichen Stiefkindfamilien die Kinder des anderen Elternteils nicht adoptieren kann, ohne dass die Verwandtschaft der Kinder zu diesem erlischt, wohingegen in einer ehelichen Familie ein solches Kind gemeinschaftliches Kind beider Eltern werden kann. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht und erklärte die zugrundeliegenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches für verfassungswidrig und gab dem Gesetzgeber auf, bis zum 31. März 2020 eine Neuregelung zu treffen. Zur Begründung führte der Gerichtshof aus, dass gegen die Stiefkindadoption vorgebrachte allgemeine Bedenken die Benachteiligung von Kindern in nichtehelichen Familien nicht rechtfertigen und sich der Schutz des Stiefkindes vor einer nachteiligen Adoption auf andere Weise als den vollständigen Adoptionsausschluss hinreichend wirksam sichern lässt.
Nach derzeitiger Rechtslage ist eine zur gemeinsamen Elternschaft führende
Gerichte weisen Antrag auf Adoption der Kinder zurück
Die Beschwerdeführerin zu 1) ist die leibliche Mutter der anzunehmenden Kinder, der Beschwerdeführer zu 2) und 3). Der mit der Mutter verheiratete leibliche Vater der Kinder verstarb im Jahr 2006. Seit 2007 leben die Beschwerdeführerin zu 1) und der Beschwerdeführer zu 4) in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Sie haben davon abgesehen, die
BVerfG verweist auf Ungleichbehandlung von Kindern in nichtehelichen Stiefkindfamilien
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die derzeitige Rechtslage gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Sie führt zu einer Ungleichbehandlung von Kindern in nichtehelichen Stiefkindfamilien, in denen der Stiefelternteil also nicht mit dem rechtlichen Elternteil verheiratet ist, gegenüber Kindern in ehelichen Stiefkindfamilien. Ihnen ist im Gegensatz zu Kindern in ehelichen Stiefkindfamilien jegliche Möglichkeit verwehrt, vom Stiefelternteil unter Aufrechterhaltung des Verwandtschaftsverhältnisses zum rechtlichen Elternteil adoptiert und damit zugleich gemeinschaftliches Kind beider Elternteile zu werden, mit denen es in nichtehelicher Stiefkindfamilie zusammenlebt.
Sachgründe für Differenzierungen müssen im Hinblick auf Ziel und Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sein
Diese Benachteiligung ist nicht gerechtfertigt. Die Rechtfertigung bemisst sich nach strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen. Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber zwar nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben, daraus, dass die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen nicht verfügbar sind oder dass sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern. Danach ist hier ein strengerer Prüfungsmaßstab anzuwenden, weil die
BVerfG hält Benachteiligung der betroffenen Stiefkinder für unverhältnismäßig
Diesen strengeren Rechtfertigungsanforderungen genügen die angegriffenen Regelungen nicht. Die Benachteiligung der betroffenen
Kind steht eheliche Familie im vorliegenden Fall schlicht nicht zur Verfügung
Hingegen ist der vom Gesetzgeber mit dem Ausschluss der
Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien kein angemessenes Mittel zur Erreichung stabiler Lebensverhältnisse
Legitim ist auch der mit dem Ausschluss der
Zwar ist verfassungsrechtlich nichts dagegen einzuwenden, dass der Gesetzgeber im Adoptionsrecht die Ehelichkeit der Elternbeziehung als Indikator für Stabilität verwendet. Sind die Eltern die
Gesetzgeber kann auch an nichteheliche Lebensgemeinschaften Stabilitätserwartungen stellen
Soweit der durch vollständigen Adoptionsausschluss in nichtehelichen Stiefkindfamilien erzielbare Schutz der Kinder wirksamer ist als der Schutz, der sich mit einer auf konkretere Stabilitätsprognosen im Einzelfall abstellenden Adoptionsregelung erzielen lässt, wiegt dies die Nachteile nicht auf, die Kindern in nichtehelichen Stiefkindfamilien dadurch entstehen können, dass ihnen die
Nichteheliche Familie hat sich mehr und mehr als weitere Familienform neben der ehelichen Familie etabliert
Dass die mittelbar angegriffenen Regelungen eine
Verhinderung der Stiefkindadoption benachteiligt betroffene Kinder in nicht gerechtfertigter Weise
Die unterschiedliche Behandlung von Stiefkindern in ehelichen und nichtehelichen Familien ist im Ergebnis auch nicht durch die in Art. 6 Abs. 1 GG zugunsten der
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 02.05.2019
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online (pm/kg)
- Amtsgericht Ahaus, Beschluss vom 09.12.2013
[Aktenzeichen: 12 F 235/13] - Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 03.11.2015
[Aktenzeichen: II-3 UF 9/14] - BGH zum Adoptionsrecht nicht miteinander verheirateter und nicht verpartnerter Lebensgefährten
(Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2017
[Aktenzeichen: XII ZB 586/15])
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Dokument-Nr. 27357
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