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Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 23.01.2024
- 2 BbB 1/19 -
NPD-Nachfolgepartei "Die Heimat" ist für die Dauer von sechs Jahren von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen
Voraussetzungen eines Finanzierungsausschlusses gemäß Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG gegeben
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Partei Die Heimat (HEIMAT, vormals: Nationaldemokratische Partei Deutschlands – NPD) für die Dauer von sechs Jahren von der staatlichen Finanzierung nach § 18 Parteiengesetz (PartG) ausgeschlossen ist.
Das Verfahren betrifft den Antrag des Deutschen Bundestages, des Bundesrates und der Bundesregierung (Antragsteller) auf Feststellung, dass die Partei Die Heimat (Antragsgegnerin) von der staatlichen (Teil-)Finanzierung für politische Parteien ausgeschlossen ist. Gemäß Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG, § 46 a Abs. 1 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) sind Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, für die Dauer von sechs Jahren von der staatlichen
Voraussetzungen für Finanzierungsausschluss gegeben
Der Durchführung des Finanzierungsausschlussverfahrens gegen die Antragsgegnerin stehen keine Verfahrenshindernisse entgegen. Im Urteil vom 17. Januar 2017 (BVerfGE 144, 20) hat das Bundesverfassungsgericht die Maßstäbe zu unbehebbaren Verfahrenshindernissen im Parteiverbotsverfahren konkretisiert. Diese Maßstäbe sind auf das Finanzierungsausschlussverfahren zu übertragen. Nach diesen Maßgaben stehen der Durchführung des Finanzierungsausschlussverfahrens gegen die Antragsgegnerin keine unbehebbaren Verfahrenshindernisse entgegen. Ein Verstoß gegen das Gebot strikter Staatsfreiheit im Sinne des Verzichts auf den Einsatz von V-Leuten und Verdeckten Ermittlern auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin während des laufenden Finanzierungsausschlussverfahrens liegt nicht vor. Aufgrund der vorgelegten Testate ist ebenso von der Quellenfreiheit des zulasten der Antragsgegnerin vorgelegten Beweismaterials auszugehen. Auch die Einhaltung der Anforderungen an ein faires, rechtsstaatliches Verfahren, insbesondere durch den Verzicht auf eine Ausspähung der Prozessstrategie der Antragsgegnerin, wird durch die vorgelegten Testate hinreichend belegt. Das Nichterscheinen der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2023 steht dem Fortgang des Verfahrens ebenfalls nicht entgegen. Verzichten Verfahrensbeteiligte auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung, obwohl sie dazu ohne Weiteres in der Lage wären, verstößt deren Durchführung nicht gegen die Grundsätze der Gewährung rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens.
Finanzierungsausschlussantrag auch begründet
Gegen den in Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG verankerten
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Ausschlusses einer Partei von staatlicher Finanzierung gemäß Art. 21 Abs. 3 GG sind durch den weitgehenden Gleichlauf mit den materiellen Voraussetzungen des Parteiverbots gemäß Art. 21 Abs. 2 GG geprägt. Sowohl das Parteiverbots- als auch das Finanzierungsausschlussverfahren verlangen eine Betroffenheit des Schutzguts der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“, auf deren „Beeinträchtigung oder Beseitigung“ eine Partei „nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger“ entweder ausgehen (Art. 21 Abs. 2 GG) oder ausgerichtet sein (Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG) muss. Die Voraussetzungen des „Darauf Ausgehens“ und des „Darauf Ausgerichtetseins“ sind dabei nicht identisch. Ein „Darauf Ausgerichtetsein“ setzt ein qualifiziertes und planvolles Handeln zur Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraus, ohne dass es auf das Erfordernis der Potentialität ankommt. Nach diesen Maßstäben ist der Antrag auf
Politische Konzept mit dem Demokratieprinzip unvereinbar
Das politische Konzept der Antragsgegnerin ist weiterhin mit der Garantie der Menschenwürde im Sinne von Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Dies ergibt sich, wie das Bundesverfassungsgericht schon im Urteil vom 17. Januar 2017 festgestellt hat, bereits aus dem Parteiprogramm unter dem Titel „Arbeit. Familie. Vaterland. Die nunmehr von den Antragstellern vorgelegten Belege zeigen, dass die Antragsgegnerin weiterhin ein dem Parteiprogramm entsprechendes und damit auf eine Missachtung der Menschenwürde zielendes politisches Konzept vertritt. Sie hält am ethnischen Volksbegriff und der Vorstellung von der deutschen „Volksgemeinschaft“ als Abstammungsgemeinschaft fest. Auf dieser Grundlage negiert sie das Gebot elementarer Rechtsgleichheit und fordert die Trennung von Kulturen und Ethnien. Sie diffamiert einzelne gesellschaftliche Gruppierungen und Minderheiten. Zugleich räumt sie dem Kollektiv der „Volksgemeinschaft“ Vorrang gegenüber dem einzelnen Menschen ein. Konsequenz des exkludierenden Charakters der „deutschen Volksgemeinschaft“ ist die Forderung der Antragsgegnerin nach umfassender rechtlicher Besserstellung aller Angehörigen dieser Gemeinschaft und der Abwertung des rechtlichen Status derjenigen, die dieser Gemeinschaft nicht angehören. Die Vorstellung der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ führt zu einer gegen die Menschenwürde verstoßenden Missachtung von Ausländern, Migranten und Minderheiten. Die nunmehr vorgelegten Belege lassen erkennen, dass die rassistische, insbesondere antimuslimische, antisemitische und antiziganistische Grundhaltung der Antragsgegnerin sowie ihre ablehnende Haltung gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten wie transsexuellen Personen fortbesteht. Die Antragsgegnerin missachtet weiterhin das Demokratieprinzip. Sie fordert in ihrem Parteiprogramm die „Einheit von Volk und Staat“. Das Postulat „Volksherrschaft setzt Volksgemeinschaft voraus“ zeigt, dass die Antragsgegnerin den Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe an der politischen Willensbildung als Kernelement des grundgesetzlichen Demokratieprinzips nicht anerkennt. Denn es hat denknotwendig den
Kein Anspruch auf staatliche Mittel seit 2021
Die Antragsgegnerin ist schließlich auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgerichtet. Dies setzt voraus, dass sie über das bloße Bekennen ihrer verfassungsfeindlichen Ziele hinaus die Grenze zum Bekämpfen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung überschreitet. Dass sie in geplanter und qualifizierter Weise zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unmittelbar ansetzt, wird durch ihre Organisationsstruktur, ihre regelmäßige Teilnahme an Wahlen und ihre sonstigen Aktivitäten sowie durch ihre nationale und internationale Vernetzung belegt. Dabei ist die Antragsgegnerin bestrebt, sich veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Sie hat bis zum Jahr 2020 an der staatlichen Parteienteilfinanzierung teilgenommen. Ein Anspruch hierauf besteht nur, wenn ein Quorum von 0,5 % der Stimmen bei der letzten Europa- oder Bundestagswahl oder 1 % der Stimmen bei einer Landtagswahl erzielt wird. Ohne eine hinreichende Organisation, ein politisches Konzept, ein ausreichendes Maß an Öffentlichkeitsarbeit und den ernsthaften Versuch der Verwirklichung ihrer politischen Ziele kann ein entsprechendes Wahlergebnis nicht erreicht werden. Die Antragsgegnerin ist bundesweit organisiert. Sie verfügt neben regionalen Untergliederungen über eine eigene Jugendorganisation, die Jungen Nationalisten, sowie über eine Kommunalpolitische Vereinigung und den Ring Nationaler Frauen als Unterorganisationen. Ausweislich des Rechenschaftsberichts 2020 hatte sie Ende Dezember 2020 3.199 Mitglieder. Sie richtet weiterhin regelmäßig Parteiveranstaltungen in Form von Parteitagen, Tagungen, Konferenzen und Schulungen aus. Sie verfügt über Publikationsorgane in Printversionen und digitalen Formaten, wodurch sie in der breiten Öffentlichkeit präsent sein will. Insbesondere die Nutzung der sozialen Medien und die dortige Werbung um Mitglieder und Unterstützer dokumentieren das „Darauf Ausgerichtetsein“ der Antragsgegnerin im Sinne des Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG. In der Vergangenheit nahm die Antragsgegnerin mit abnehmendem Erfolg regelmäßig an Wahlen auf den unterschiedlichen politischen Ebenen teil. Bei der Europawahl 2019 entfielen 0,3 % der abgegebenen gültigen Stimmen auf sie; bei den Bundestagswahlen im Jahr 2017 0,4 % und im Jahr 2021 0,1 % der abgegebenen gültigen Zweitstimmen. Auch an Landtagswahlen nahm sie – allerdings nicht durchgängig – teil. Gegenwärtig ist sie in keinem Parlament auf Bundes- oder Landesebene vertreten. Sie verfügt weiterhin über ein geschlossenes politisches Konzept zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele.
Verfassungsfeindlichkeit weiterhin gegeben
Wie im Urteil vom 17. Januar 2017 dargestellt, lag der politischen Arbeit der Antragsgegnerin die sogenannte „Vier-Säulen-Strategie“ zugrunde. Dabei handelt es sich um ein strategisches Konzept, das der damalige Vorsitzende in den „Kampf um die Köpfe“, den „Kampf um die Straße“, den „Kampf um die Parlamente“ und den „Kampf um den organisierten Willen“ unterteilte. Von dieser „Vier-Säulen-Strategie“ hat sich die Antragsgegnerin zwar äußerlich entfernt, sie stellt aber in der Sache weiterhin den zentralen Rahmen für ihr politisches Handeln dar. Ihr beträchtlicher Bedeutungsverlust, der durch sinkende Mitgliederzahlen, schwache Wahlergebnisse und fehlende Parlamentsbeteiligungen geprägt ist, zwingt sie zur Anpassung ihrer Handlungskonzepte. Durch eine strategische Neuausrichtung und organisatorische Verschlankung soll aus der ehemaligen „Wahlpartei“ eine „patriotische NGO“ unter Auf- und Ausbau eines vorpolitischen Umfelds werden, ohne dass dabei die „Vier-Säulen-Strategie“ für überholt erklärt wurde. Auch in der Umbenennung der Partei in „Die Heimat“ liegt der Versuch der Überwindung bestehender Stigmatisierungen der Antragsgegnerin, mit der jedoch keine inhaltliche Neuaufstellung verbunden sei. Die Antragsgegnerin versucht, ihr strategisches Konzept auf unterschiedliche Weise umzusetzen und dadurch ihre verfassungsfeindlichen Ziele zu verwirklichen. Im Rahmen des „Kampfes um die Köpfe“ organisiert sie Veranstaltungen, die bewusst nicht nur an Parteianhänger gerichtet sind, sondern eine breitere Öffentlichkeit ansprechen sollen. Neben den beiden zentralen Kampagnen „Schutzzonen“ und „Deutsche helfen Deutschen“ haben die Antragsteller eine Vielzahl an Festen, Feiern, Wanderungen, Spenden- und Wohltätigkeitsveranstaltungen, Tagen der offenen Tür und Infoständen seit Herbst 2017 aufgelistet. Die Antragsgegnerin führt den „Kampf um die Straße“, indem sie sich bemüht, eine hohe Präsenz bei Demonstrationen und Bürgerprotesten zu zeigen, von denen sie einen beträchtlichen Teil selbst organisiert. Auch nach 2017 fand eine erhebliche Zahl von Veranstaltungen zur Darstellung der politischen Positionen und Forderungen der Antragsgegnerin statt. Sie greift dabei sowohl auf traditionelle als auch neuartige Veranstaltungsformate zurück. Durch gemeinsame Veranstaltungen mit anderen rechtsextremen Parteien und Organisationen sowie durch die Teilnahme an Veranstaltungen Dritter versuchte sie zudem, ihre Reichweite zu erhöhen. Im Rahmen des „Kampfes um den organisierten Willen“ strebt die Antragsgegnerin eine enge nationale und internationale Vernetzung mit anderen rechtsextremistischen Parteien und Gruppierungen an. Sie pflegt intensive Kontakte zu solchen Parteien und nicht parteigebundenen Rechtsextremisten und solidarisiert sich mit Holocaust-Leugnern. Insgesamt ergibt sich, dass die Antragsgegnerin trotz einer Entwicklung, die durch Mitgliederschwund, zurückgehende Wahlergebnisse und ein dadurch bedingtes Ausscheiden aus der staatlichen
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 23.01.2024
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)
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Dokument-Nr. 33663
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