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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29.08.2007
- 2 BvF 3/02 -
Antraglose Teilzeitbeschäftigung von Beamten ist verfassungswidrig
§ 80c des Niedersächsischen Beamtengesetzes, der die antragslose Einstellung von Beamten in Teilzeit vorsieht, verstößt gegen Art. 33 Abs. 5 GG (amtsangemessene Alimentation und Grundsatz der Hauptberuflichkeit). Dies hat des Bundesverfassungsgericht entschieden.
Gegenstand des Normenkontrollantrags ist § 80 c Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG). Nach dieser Vorschrift können Bewerber für die Laufbahnen des gehobenen und des höheren Dienstes in ein Teilzeit-Beamtenverhältnis von drei Vierteln der regelmäßigen Arbeitszeit eingestellt werden. Die Einstellungsteilzeit war im Jahr 1997 aus arbeitsmarktpolitischen Gründen eingeführt worden, um auf diese Weise möglichst vielen Bewerbern, insbesondere ehramtsbewerbern, eine Einstellung in den öffentlichen Dienst zu ermöglichen.
Auf der Grundlage des § 80 c NBG sind in Niedersachsen rund 6.400 Bewerber als beamtete Lehrkräfte nur in
Die Niedersächsische Landesregierung hält die Regelung, unabhängig von einer beschränkenden Auslegung, für gültig und hat deshalb das Bundesverfassungsgericht angerufen. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts kam zu dem Ergebnis, dass die antragslose
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
I. Die in § 80 c NBG vorgesehene Möglichkeit der antragslosen Einstellungsteilzeit von Beamten verstößt gegen die durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten hergebrachten Grundsätze der Hauptberuflichkeit und der amtsangemessenen Alimentation.
1. Das Grundgesetz sieht im Berufsbeamtentum eine Institution, die, gegründet auf Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfüllung, eine stabile Verwaltung sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatswesen gestaltenden politischen Kräften bilden soll. Das Berufsbeamtentum stellt ein Instrument zur Sicherung von Rechtsstaat und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dar. Prägende Strukturmerkmale des Berufsbeamtentums sind die hauptberufliche Beschäftigung auf Lebenszeit und das hiermit korrespondierende Alimentationsprinzip. Mit dem Eintritt in das Beamtenverhältnis wird der Beamte verpflichtet, sich voll für den Dienstherrn einzusetzen und diesem seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zustellen. Als Korrelat hat der Dienstherr dem Beamten und seiner Familie in Form von Dienstbezügen sowie einer Alters- und Hinterbliebenenversorgung einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Die Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position soll den Beamten in die Lage versetzen, unsachlichen oder parteilichen Einflussnahmen zu widerstehen und seine Bereitschaft zu einer ausschließlich an Gesetz und Recht orientierten Amtsführung zu fördern.
Mit diesen grundlegenden Strukturprinzipien des hergebrachten Berufsbeamtentums ist eine unfreiwillige
2. Eine ausreichend gewichtige Rechtfertigung für diesen Einbruch in die Grundstrukturen des Berufsbeamtentums liegt nicht vor. Dem sozialstaatlich legitimen Anliegen, die Arbeitslosigkeit zu steuern, kann auch dadurch Rechnung getragen werden, dass der Dienstherr
3. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass Art. 33 Abs. 5 GG im Jahr 2006 neu gefasst und der Vorschrift die so genannte "Fortentwicklungsklausel" angefügt wurde. Fortzuentwickeln ist nach der eindeutigen Gesetzesfassung allein das Recht des öffentlichen Dienstes, nicht aber der hierfür geltende Maßstab, die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums.
II. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 80 c NBG ist nicht möglich. Die Systematik des Gesamtregelungssystems der
Sondervotum des Richters Gerhardt
Nach Auffassung des Richters Gerhardt ist die zur Überprüfung stehende Norm nur deshalb für nichtig zu erklären, weil der Gesetzgeber die ihm bei der Regelung der Beamtenbesoldung gesetzte Grenze des Gebots amtsangemessener Alimentation nicht eingehalten hat. Ein Verstoß gegen die hergebrachten Grundsätze der hauptberuflichen Beschäftigung auf Lebenszeit und der vollen beruflichen Hingabe liege hingegen nicht vor; die Senatsmehrheit argumentiere insoweit allein abstrakt sowie ohne hinreichende Tatsachenbasis. Sie verkenne zudem, dass Art. 33 Abs. 5 GG dem Gesetzgeber erlaube, das Beamtenrecht in seinen einzelnen Ausprägungen den veränderten Umständen anzupassen, ohne dass es dazu eines zusätzlichen "Titels" aus dem Grundgesetz - etwa des Sozialstaatsprinzips - bedürfe.
Mit ihren - nicht entscheidungserheblichen - Ausführungen zum Bedeutungsgehalt der seit 1. September 2006 gültigen Neufassung des Art. 33 Abs. 5 GG habe die Senatsmehrheit sich nicht nur über den geänderten Wortlaut der Norm hinweg gesetzt, sondern vor allem in unzulässiger Weise dem vorrangig zur Konkretisierung des Art. 33 Abs. 5 GG berufenen Gesetzgeber vorgegriffen. Die Einfügung der Worte "und fortzuentwickeln" in Art. 33 Abs. 5 GG könne kaum etwas anderes als eine Relativierung der Verbindlichkeit der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums bedeuten.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.09.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 95/07 des BVerfG vom 28.09.2007
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Dokument-Nr. 4918
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