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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13.02.2008
- 2 BvL 1/06 -
Bundesverfassungsgericht streicht Obergrenzen für steuerlichen Abzug von Krankenversicherungsbeiträgen
Sonderausgabenabzug von Versicherungsbeiträgen muss existenznotwendigen Aufwand des Steuerpflichtigen berücksichtigen
Die Beiträge zur privaten Krankenversicherung müssen in naher Zukunft in höherem Umfang von der Einkommensteuer absetzbar sein als bisher. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Bis Ende 2009 muss der Gesetzgeber die Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung neu regeln. Der Entscheidung lag die Klage eines Rechtsanwalts und seiner nicht berufstätigen Frau zugrunde. Das Ehepaar und seine sechs Kinder waren ausschließlich privat kranken- und pflegeversichert.
Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a in Verbindung mit § 10 Abs. 3 Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr 1997 geltenden Fassung wird die Möglichkeit des Sonderausgabenabzugs von Beiträgen zur privaten
Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a in Verbindung mit § 10 Abs. 3 EStG sowie alle nachfolgenden Fassungen mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, soweit der Sonderausgabenabzug die Beiträge zu einer privaten Krankheitskostenversicherung und einer privaten Pflegeversicherung nicht ausreichend erfasst, die dem Umfang nach erforderlich sind, um dem Steuerpflichtigen und seiner Familie eine sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegeversorgung zu gewährleisten. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 1. Januar 2010 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die betreffenden einkommensteuerrechtlichen Vorschriften sowie die Nachfolgeregelungen weiter anwendbar.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
I. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a in Verbindung mit § 10 Abs. 3 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 1997 geltenden Fassung verletzt nicht im Hinblick darauf den allgemeinen Gleichheitssatz, dass der Vorwegabzug, der Selbstständigen für ihre Beiträge zu privaten Kranken- und Pflegepflichtversicherungen gewährt wird, hinter den entsprechenden Beträgen der Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers für Arbeitnehmer (insbesondere Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung) nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG zurückbleibt.
Die Beiträge der Mitglieder der gesetzlichen
II. Die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a in Verbindung mit § 10 Abs. 3 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 1997 geltenden Fassung ist jedoch mit dem Grundgesetz unvereinbar, soweit die Beiträge zu einer privaten Krankheitskostenversicherung und einer privaten Pflegepflichtversicherung nicht ausreichend erfasst werden, die dem Umfang nach erforderlich sind, um dem Steuerpflichtigen und seiner Familie eine sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegeversorgung zu gewährleisten. Dies trifft auch für die nachfolgenden Gesetzesfassungen zu.
1. Nach dem Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. gewährleistet wird ein Schutz des Lebensstandards auf Sozialhilfeniveau. Das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums schützt nicht nur das sogenannte sächliche Existenzminimum (z. B. Aufwendungen für Nahrung, Kleidung, Hausrat, Wohnung und Heizung). Auch Beiträge zu privaten Versicherungen für den Krankheits- und Pflegefall können Teile des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums sein; denn auch die Kranken- und Pflegeversorgung ist integraler Bestandteil des Leistungskatalogs der Sozialhilfe.
2. Eine dem Umfang nach hinreichende steuerliche Freistellung der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlichen Beiträge zur privaten Kranken und Pflegeversicherung durch § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a in Verbindung mit § 10 Abs. 3 EStG kann nicht festgestellt werden. Betrachtet man - im Rahmen einer Evidenzkontrolle - beispielhaft die von den Klägern des Ausgangsverfahrens aufgewendeten Beiträge, so zeigt sich, dass eine hinreichende steuerliche Entlastung offensichtlich nicht gewährleistet ist.
Der Gesetzgeber hat die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG angelegte Entlastungsgrundentscheidung in den Höchstbeträgen des § 10 Abs. 3 EStG für die Krankheitskostenversicherung bezogen auf das Ziel einer realitätsgerechten Freistellung des Existenzminimums nicht folgerichtig umgesetzt. Zwar ist der Steuergesetzgeber nicht gehalten, die Beiträge zu "normalen" privaten Krankheitskostenversicherungen von Verfassungs wegen stets zu 100 % zu berücksichtigen. Vielmehr müssen nur die zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Lebensstandards erforderlichen Aufwendungen berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber kann die Privatversicherten daher darauf verweisen, dass ein Teil ihrer Beiträge bei der Einkommensteuer unberücksichtigt bleibt, soweit nach seiner Einschätzung das Versorgungsniveau von privaten Krankenversicherungen üblicherweise über das wiederum an das Niveau der gesetzlichen
Die in § 10 Abs. 3 EStG für Beiträge zu privaten Kranken- und Pflegepflichtversicherungen niedergelegten Höchstbeträge sind auch nicht aus legitimen Erwägungen einer gesetzgeberischen Typisierung im Massenverfahren gerechtfertigt. Eine Typisierungsentscheidung, die nachvollziehbar an den existenznotwendigen Kranken- und Pflegeversicherungsaufwendungen der Steuerpflichtigen ausgerichtet ist, hat der Gesetzgeber bisher nicht getroffen.
3. Der Gesetzgeber hat bei der Neuordnung des Abzugs von
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 17.03.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 32/08 des BVerfG vom 13.02.2008
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Dokument-Nr. 5773
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