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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 08.12.2006
2 BvR 1339/06 -

Verlust des deutschen Passes nach Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit zulässig

Erfolglose Verfassungsbeschwerde eines Türken

Das am 15. Juli 1999 verkündete und am 1. Januar 2000 in Kraft getretene Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) sieht in § 25 vor, dass ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit verliert, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag hin erfolgt. Nach der Vorläuferfassung der Vorschrift war dies nur für den Fall vorgesehen, dass der Betroffene weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Diese Inlandsklausel hat der Gesetzgeber gestrichen, nachdem sie von zahlreichen Neubürgern dazu genutzt worden war, die im Zusammenhang mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband aufgegebene frühere Staatsangehörigkeit unmittelbar nach der Einbürgerung ohne Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zurückzuerwerben. Von der Änderung, die dieser Praxis die Grundlage entziehen sollte, ist eine große Zahl in Deutschland lebender und hier eingebürgerter Personen betroffen.

Der Beschwerdeführer wurde im März 1999 in den deutschen Staatsverband eingebürgert. Seine türkische Staatsangehörigkeit hatte er im Zusammenhang damit aufgegeben. Auf seinen Antrag vom Juni 1999 erwarb er im Februar 2001 erneut die türkische Staatsangehörigkeit. Daraufhin zog die Stadt Frankfurt am Main die deutschen Ausweispapiere des Beschwerdeführers ein. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Klage vor den Verwaltungsgerichten. Nach seiner Auffassung müssen Personen, die wie er den Antrag auf Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit noch zur Zeit der Geltung der Inlandsklausel gestellt haben, aber erst nach dem 1. Januar 2000 in dem anderen Staat eingebürgert worden sind, von der Anwendung des § 25 StAG ausgenommen werden. Seine Klage blieb ohne Erfolg. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde von der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ist nicht verletzt. Bei dem im vorliegenden Fall eingetretenen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit handelt es sich nicht um eine verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit.

1. Eine gesetzliche Regelung, die den Verlust der Staatsangehörigkeit an den freiwilligen, antragsgemäßen Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit knüpft, begegnet keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Betroffene hat es selbst in der Hand, die deutsche Staatsangehörigkeit zu behalten. Die unter Umständen sich ergebende Notwendigkeit, sich zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, ist auch nicht als solche schon unzumutbar. Sie ist Folge der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine uneingeschränkte Hinnahme von Mehrstaatigkeit.

2. Die Anwendbarkeit des § 25 StAG auf Anträge, die vor dem Inkrafttreten der Vorschrift gestellt wurden, läuft der Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus, die Art. 16 Abs. 1 GG gewährleistet, nicht zuwider. Auch der verfassungsrechtlich gebotene Vertrauensschutz steht der Anwendung nicht entgegen.

Der Wortlaut des § 25 Abs. 1 StAG weckt keinen Zweifel daran, dass die Bestimmung Fälle des Erwerbs einer ausländischen Staatsangehörigkeit auch dann erfasst, wenn der zugrunde liegende Antrag schon vor ihrem Inkrafttreten gestellt wurde.

Die Disposition, die der Beschwerdeführer mit seinem Antrag auf Rückerwerb der türkischen Staatsangehörigkeit getroffen hat, ist schon insofern nur eingeschränkt schutzwürdig, als sie noch nach Verkündung und sogar nach dem Inkrafttreten der Neufassung des § 25 StAG ohne besonderen Aufwand durch Rücknahme des Antrags hätte rückgängig gemacht werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer besonderen Anlass hatte, sich über die Rechtsfolgen des von ihm beantragten Rückerwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit auf dem Laufenden zu halten. Anlass, die Entwicklung der staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtslage bis zum Abschluss des in Gang gesetzten ausländischen Wiedereinbürgerungsverfahrens weiter zu verfolgen, bestand hier vor allem deshalb, weil der Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit eine Gesetzeslücke zu nutzen beabsichtigte, deren Schließung der Gesetzgeber bereits seit längerer Zeit erwog. Die Bedeutung, die das geltende deutsche Staatsangehörigkeitsrecht trotz verschiedener Ausnahmen im Grundsatz bis heute der Vermeidung von Mehrstaatigkeit zumisst, stand dem Beschwerdeführer, als er den Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit stellte, angesichts des eben erst abgeschlossenen Einbürgerungsverfahrens deutlich vor Augen; denn in diesem Verfahren war ihm die Aufgabe seiner türkischen Staatsangehörigkeit abverlangt worden. Also musste ihm bewusst sein, dass er durch die sofortige Wiederbeantragung der türkischen Staatsangehörigkeit einen Umweg zu der Doppelstaatsangehörigkeit wählte, die ihm der Gesetzgeber mit den geltenden einbürgerungsrechtlichen Bestimmungen gerade verwehren wollte, und dass er sich insofern anschickte, eine Gesetzeslücke zu nutzen. Dies zu tun, stand ihm frei; er konnte aber nicht darauf zählen, dass der Gesetzgeber keine Anstalten treffen würde, diese Absicht zu durchkreuzen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 10.01.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 02/07 des BVerfG vom 10.01.2007

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