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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.03.2013
2 BvR 67/11 -

BVerfG: Unterbringung eines Strafgefangen mit rauchenden Mithäftlingen nur mit dessen Einverständnis

Nichtraucher hat Anspruch auf gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringung

Wird ein nicht rauchender Strafgefangener zusammen mit einem rauchendem Mithäftling untergebracht, so liegt ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) vor. Eine solche Unterbringung ist daher nur mit der Einwilligung des Nichtrauchers möglich. Er kann zudem die Rechtswidrigkeit der Unterbringung gerichtlich feststellen lassen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesverfassungs­gerichts hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein nicht rauchender Strafgefangene wurde im Zuge einer Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Aachen in einem Raum mit einem rauchenden Mithäftling untergebracht. Nachdem seine beantragte Verlegung abgelehnt wurde, erhob er Klage vor dem Landgericht Aachen. Er meinte, durch das Passivrauchen liege eine fahrlässige Körperverletzung vor. Die JVA entgegnete dem, dass der Strafgefange mit einer gemeinschaftlichen Unterbringung ausdrücklich einverstanden gewesen sei. Dennoch verlegte sie ihn nach Aufforderung zur Stellungnahme durch das Gericht in einen Einzelhaftraum. Der Strafgefangene wollte daraufhin die Rechtswidrigkeit der gemeinschaftlichen Unterbringung festgestellt haben.

Landgericht Aachen verwarf Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit

Das Landgericht Aachen verwarf den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der gemeinschaftlichen Unterbringung mit einem Raucher. Denn der Strafgefangene habe kein berechtigtes Interesse an der Feststellung gehabt. Zudem habe sich der Strafgefangene ausdrücklich mit einer gemeinschaftlichen Unterbringung einverstanden erklärt. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Rechtsbeschwerde verwarf das Oberlandesgericht Hamm als unzulässig. Der Strafgefangene legte daher Verfassungsbeschwerde ein.

Verletzung des effektiven Rechtsschutzes lag vor

Das Bundesverfassungsgericht stellte zunächst einen Verstoß gegen den effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) durch das Landgericht fest. Der Bürger habe nach Auffassung des Verfassungsgerichts einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Zwar könne der Anspruch erlöschen, wenn sich die Sache erledigt hat. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn ein schwerwiegender Grundrechtsverstoß vorliegt. Dies sei hier der Fall gewesen. Nur die gerichtliche Prüfung von selbst erledigten Maßnahmen der Strafvollzugsbehörden könne verhindern, dass insbesondere Grundrechte nicht systematisch ungeschützt bleiben.

Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bestand

Zudem habe nach Auffassung der Verfassungsrichter angesichts der nicht auszuschließenden gesundheitsgefährdenden Wirkung des Passivrauchens ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) vorgelegen (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.07.2008 - 1 BvR 3262/07; 1 BvR 402/08; 1 BvR 906/08). Der Gefangene habe aber Anspruch auf Schutz vor Gefährdung und erhebliche Beeinträchtigung durch das Rauchen von Mitgefangen und Aufsichtspersonal.

Eingriff war nicht gerechtfertigt

Der Eingriff sei auch nicht gerechtfertigt gewesen, so das Verfassungsgericht weiter. Zum einen habe es an einer gesetzlichen Grundlage für die gemeinschaftliche Unterbringung mit einem Raucher gefehlt. Darüber hinaus habe das nordrhein-westfälische Nichtraucherschutzgesetz das Rauchen in einem Haftraum ausdrücklich verboten, wenn eine der darin untergebrachten Person Nichtraucher ist (§ 3 Abs. 5 Satz 2 NiSchG NRW).

Keine Einwilligung in die Unterbringung mit einem Raucher

Aus Sicht der Verfassungsrichter habe sich das Landgericht nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Strafgefangene eine Einwilligung in die Unterbringung mit einem Raucher erteilt habe und ob eine solche Einwilligung überhaupt den Eingriff habe rechtfertigen können. In dem Einverständnis zur vorübergehenden gemeinschaftlichen Unterbringung hat das Verfassungsgericht nicht eine Einwilligung in die gemeinschaftliche Unterbringung mit einem Raucher gesehen.

Entscheidung des Landgerichts wurde aufgehoben

Das Bundesverfassungsgericht hob die Entscheidung des Landgerichts auf und wies die Sache zur Neuentscheidung zurück (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 15.07.2013
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)

Vorinstanzen:
  • Landgericht Aachen, Beschluss vom 21.09.2010
    [Aktenzeichen: 33i StVK 361/10]
  • Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 23.09.2010
    [Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 588/10]
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Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW)
Jahrgang: 2013, Seite: 1943
NJW 2013, 1943

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Dokument-Nr.: 16282 Dokument-Nr. 16282

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