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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 23.11.2010
11 B 09.3093 -

Europäischer Gerichtshof muss erneut zum "Führerscheintourismus" entscheiden

Gemäß EU-Richtlinie darf LKW-Fahrerlaubnis grundsätzlich nur nach bereits erworbener Pkw-Fahrerlaubnis erteilt werden

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zum so genannten "Führerscheintourismus" im Rahmen eines "Vorabentscheidungsverfahrens" vorgelegt.

Im zugrunde liegenden Fall war einem Autofahrer aus dem Bayerischen Wald wegen Alkoholfahrten und anderer Verkehrsdelikte zwischen 1986 und 2002 insgesamt viermal die Fahrerlaubnis entzogen worden. Im Rahmen eines erneuten Erteilungsverfahrens führte eine medizinisch-psychologische Begutachtung zu einem negativen Ergebnis. Mit weiteren Alkoholfahrten sei zu rechnen. Daraufhin wich der Betroffene nach Tschechien aus und erwarb dort im Jahr 2004 eine PKW-Fahrerlaubnis (Klasse B).

Führerschein enthält Verstoß gegen Wohnsitzprinzip

Die tschechische PKW-Fahrerlaubnis hatte allerdings einen Schönheitsfehler: Im tschechischen Führerschein war ein Wohnsitz in Deutschland eingetragen. Eine solche unter offensichtlichem Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip erteilte Fahrerlaubnis muss Deutschland nach der Rechtssprechung des EuGH nicht anerkennen.

2008 erwarb Autofahrer LKW-Fahrerlaubnis in Tschechien mit Wohnsitz in Tschechien

Pikant wurde der Fall aber durch eine weitere Entwicklung. Im Jahr 2008 erwarb der Autofahrer in Tschechien auch eine LKW-Fahrerlaubnis (Klasse C). Diesmal beachteten er und die tschechischen Behörden das Wohnsitzprinzip. Im Führerschein ist formal ein Wohnsitz in Tschechien eingetragen.

Muss PKW-Fahrerlaubnis von Deutschland anerkannt werden?

Die Fragen, die sich dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Bitte um Vorabentscheidung seitens des Gerichtshof der Europäischen Union stellen, sind folgende: Mit welchen Fahrzeugen kann der Ostbayer in Deutschland fahren? Die Erteilung der tschechischen LKW-Fahrerlaubnis war mit einer Eignungsprüfung verbunden. Bewirkt deren positives Ergebnis, dass nun auch die PKW-Fahrerlaubnis von Deutschland anerkannt werden muss? Wird also der frühere Fehler in Gestalt des Wohnsitzverstoßes gleichsam geheilt?

LKW Fahrerlaubnis nur bei PKW Fahrerlaubnis

Oder läuft es genau umgekehrt? Nach der maßgeblichen EU-Richtlinie darf eine LKW-Fahrerlaubnis nämlich nur Autofahrern erteilt werden, die bereits im Besitz einer Fahrerlaubnis für PKW sind. Die PKW-Fahrerlaubnis des Ostbayern muss aber wegen des Wohnsitzverstoßes eigentlich nicht anerkannt werden. Muss dies dann nicht zwingend auch für die darauf aufbauende LKW-Fahrerlaubnis gelten?

BayVGH: Deutschland muss weder PKW- noch LKW-Fahrerlaubnis anerkennen

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof tendiert in seiner Vorlagefrage klar zur letztgenannten Lösung. Deutschland braucht seiner Meinung nach weder die PKW noch die LKW-Fahrerlaubnis anzuerkennen. Auch die Landesanwaltschaft hat im bisherigen Verfahren diese Position nachdrücklich vertreten.

Weitere Lösungsmöglichkeit wäre grotesk

Rechtlich möglich ist übrigens auch eine drittes Ergebnis: Die tschechische PKW-Fahrerlaubnis gilt in Deutschland nicht, die LKW-Fahrerlaubnis dagegen schon. Dann dürfte der Ostbayer in Deutschland nur Fahrzeuge über 3,5 Tonnen führen. Ein solches Resultat wäre freilich mehr als grotesk. Immerhin: Es ist rechtlich nicht völlig ausgeschlossen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 24.12.2010
Quelle: Bayererischer Verwaltungsgerichtshof/ra-online

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Dokument-Nr.: 10778 Dokument-Nr. 10778

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