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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.07.2001
1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 -

"Love Parade" und "Fuck Parade" sind keine Versammlungen

Bundesverfassungs­gericht lehnt einstweilige Anordnungen zu den Paraden ab

Das Bundesverfassungs­gericht hat die Auffassung des Oberverwaltungs­gerichts Berlin bestätigt, nach der die "Love Parade" und die "Fuck Parade" keine Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind. Die Zurschaustellung eines Lebensgefühls, auch wenn sie dem Mehrheitsgeschmack entsprechen sollte, sei keine Versammlung mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Es überwiege hier der Charakter einer öffentlichen Massenparty und Vergnügungs­veranstaltung. Die Veranstaltungen würden nicht allein dadurch insgesamt zu einer Versammlung, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungskundgaben erfolgten.

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat zwei Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit denen die Veranstalter der "Love Parade" und der "Fuck Parade" jeweils die Bewertung ihrer Veranstaltungen als Versammlung erreichen wollten.

Zur Begründung führt sie u. a. aus:

Die Entscheidungen des OVG Berlin, mit denen beiden Paraden der Charakter einer von Art. 8 GG geschützten Versammlung abgesprochen worden sind, sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit erhält seine besondere verfassungsrechtliche Bedeutung in der freiheitlich demokratischen Ordnung des Grundgesetzes wegen des Bezugs auf den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung. Dementsprechend sind Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zwecks gemeinschaftlicher Erörterung und Kundgebung mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Für die Eröffnung des Schutzbereiches von Art. 8 GG reicht es nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrem gemeinschaftlichen Verhalten durch irgendeinen Zweck miteinander verbunden sind.

Daraus folgt, dass Zusammenkünfte zwar auch dann in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fallen, wenn sie ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist der Fall, wenn diese Mittel mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken. Andererseits fallen Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen ebenso wenig unter den Versammlungsbegriff wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen oder die als eine auf Spaß und Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind, einerlei ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl sogenannter Subkulturen ausdrückt oder dem Mehrheitsgeschmack entspricht. Eine Musik- und Tanzveranstaltung wird nicht allein dadurch insgesamt zu einer Versammlung im Sinne des Art. 8 GG, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungskundgaben erfolgen.

Es ist danach unbedenklich, dass die vorhandenen Elemente öffentlicher Meinungskundgabe vom Oberverwaltungsgericht Berlin weder bei der "Fuck Parade" noch bei der "Love Parade" als ausreichend angesehen werden, um die jeweilige Veranstaltung in ihrer Gesamtheit als Versammlung zu qualifizieren. Das Oberverwaltungsgericht hat gewisse Elemente der Meinungskundgabe insbesondere bei der "Fuck Parade" erkannt, aber dahingehend bewertet, dass sie der Veranstaltung das Gepräge als Massenspektakel oder Volksbelustigung nicht nehmen. Das Schwergewicht liege auf dem Gebiet der Unterhaltung; die Meinungskundgabe sei nur beiläufiger Nebenakt. Diese Bewertung ist nicht zu beanstanden.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 15.01.2005
Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht (pm)

Aktuelle Urteile aus dem Versammlungsrecht
Urteile zu den Schlagwörtern: Versammlungsfreiheit
Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW)
Jahrgang: 2001, Seite: 2459
NJW 2001, 2459

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Dokument-Nr.: 4257 Dokument-Nr. 4257

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