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Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.08.2011
- 26 W (pat) 116/10 -
"Ficken" kann als Marke eingetragen werden - Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG steht Eintragung nicht entgegen
Bundespatengericht sieht keinen Verstoß gegen die guten Sitten
"Ficken" kann als Marke eingetragen werden. Der Begriff ist in der Alltagssprache angekommen und hat sogar Einzug im "DUDEN" gehalten. "Ficken" ist auch in Titeln vieler Theaterstücke, Bücher und Filme zu finden. Dies stellte das Bundespatengericht fest.
Ein schwäbischer Schnapshersteller stritt mit dem Deutschen Patent- und Markenamt um die Eintragung der
Die Markenstelle wies die Anmeldung der
Zur Begründung führte das Amt aus, das angemeldete Markenwort bestehe in der vulgärsprachlichen Bezeichnung von "mit jemandem den Geschlechtsakt vollziehen". Zwar sei es vielfach im Alltag, insbesondere in der Jugendsprache zu finden. Gleichwohl werde es von den angesprochenen Verkehrskreisen, insbesondere von Vertretern älterer Generationen, als Zeichen für die Verrohung des Sprachgebrauchs, als störend und abstoßend empfunden. Der in der Entscheidung BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 244/02 - Ficke zum Ausdruck gekommenen Wertung vermöge die Markenstelle nicht zu folgen. Beide Markenworte seien auch deshalb nicht vergleichbar, weil "Ficken" im Unterschied zu "Ficke" weniger als Eigenname in Betracht komme. Die beanspruchten Waren richteten sich an breite Verkehrskreise, u. a. an Kinder und Jugendliche. Eine staatliche Monopolisierung dieses Wortes werde als gesellschaftlich anstößig empfunden.
Marke "Ficken" verstößt nicht gegen die guten Sitten
Dieser Argumentation folgte das Bundespatengericht nicht. Der Eintragung der angemeldeten
Gegen die
Sittliche Anstößigkeit ist im Hinblick auf die Waren zu beurteilen
Die sittliche Anstößigkeit oder grobe Geschmacklosigkeit sei stets im Hinblick auf die betroffenen Waren zu beurteilen. Dabei dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass die maßgebliche Verkehrsauffassung von der fortschreitenden Liberalisierung der Anschauungen über Sitte und Moral geprägt sei, führte das Bundespatentgericht aus. Soweit allerdings das Scham- oder Sittlichkeitsgefühl eines wesentlichen Teils des Verkehrs durch geschlechtsbezogene Angaben unerträglich verletzt werde, sei auch weiterhin von der Schutzunfähigkeit der
Marke "Ficken" ist kein guter Geschmack - aber eintragungsfähig
Bei Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs sei die angemeldete
Fortschreitende Liberalisierung
Die angemeldete
Keine Anhaltspunkte für Verletzung des Scham- und Sittlichkeitsempfindens der Verbraucher in völlig unerträglicher Weise
Anhaltspunkte dafür, dass das Zeichen jedoch in Verbindung mit den beanspruchten Waren geeignet wäre, das Scham- und Sittlichkeitsempfinden eines erheblichen Teils der durch sie angesprochenen durchschnittlichen allgemeinen Endverbraucher in völlig unerträglicher Art und Weise zu verletzen, konnte das Bundespatentamt nicht feststellen.
"Ficken" steht im Duden und in vielen Titeln von Theaterstücken und Büchern
Das angemeldete Markenwort sei im "DUDEN" verzeichnet (vgl. DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 3. Aufl., S. 505; DUDEN, Die deutsche Rechtschreibung, 25. Aufl. 2009, S. 435). Dem der Vulgärsprache entstammenden Markenwort bedienten sich Kommunizierende aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten und Altersklassen: Es ist Bestandteil einer Reihe von Titeln auf deutschen Bühnen gespielter Theaterstücke sowie mehrerer Film- und Buchtitel. So wurde beispielsweise Mark Ravenhills "Shoppen & Ficken" 1998 zum Berliner Theatertreffen eingeladen und zum besten ausländischen Stück des Jahres gewählt. Werner Schwab, Autor des Theaterstückes "Mesalliance aber wir ficken uns prächtig" wurde 1992 von der Fachzeitschrift "Theater heute" zum Dramatiker des Jahres gekührt und zähle zu den meistgespielten Dramatikern deutscher Sprache, führte das Bundespatengericht aus.
Denis Fischer ist Autor des u. a. am Jungen Theater Bremen gespielten Stücks mit dem Titel "Ficken vor der Kamera". Im Jahre 2002 hat die Regisseurin Almut Getto den deutschen Film "Fickende Fische" gedreht. Die Buchvorlage des gleichnamigen Films der Regisseurin Virginie Despentes ist unter dem Titel "Baise-moi - Fick mich" in deutscher Sprache im Rowohlt-Verlag erschienen. Gleichzeitig existiert am deutschen Markt eine Mehrzahl von Buchtiteln, die, wie beispielsweise der Titel "Engel fickt man nicht" von M. Heidenreich, das angemeldete Markenwort in grammatikalischer Abwandlung enthalten.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 16.09.2011
Quelle: ra-online, Bundespatentgericht (vt/pt)
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