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Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 10.07.2014
- C-138/13 -
Nachweis über Deutschkenntnisse bei Ehegattennachzug von türkischen Staatsangehörigen verstößt gegen das Unionsrecht
Spracherfordernis ist nicht mit der Stillhalteklausel des Assoziierungsabkommens mit der Türkei vereinbar
Die Vorgabe, dass Deutschland Ehegatten von rechtmäßig im Inland wohnenden türkischen Staatsangehörigen ein Visum zum Zweck des Ehegattennachzugs nur erteilt, wenn sie einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachweisen, verstößt gegen das Unionsrecht. Das 2007 eingeführte Spracherfordernis ist nicht mit der Stillhalteklausel des Assoziierungsabkommens mit der Türkei vereinbar. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.
Seit 2007 macht Deutschland die Erteilung eines Visums für den
Deutsche Botschaft lehnt Erteilung eines Visums für den Ehegattennachzug wegen mangelnder Sprachkenntnisse mehrfach ab
Frau Dogan, die
VG Berlin erbittet Vorabentscheidung des EuGH über Vereinbarkeit einer Spracherfordernis mit dem Unionsrecht
Frau Dogan erhob hiergegen Klage beim Verwaltungsgericht Berlin (Deutschland). Dieses hat dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob das seit 2007 in Deutschland geltende Spracherfordernis mit dem
Stillhalteklausel steht nationaler Regelung über erforderliche Sprachkenntnisse entgegen
In seinem Urteil antwortet der Gerichtshof der Europäischen Union, dass die
Spracherfordernis erschwert Familienzusammenführung
Ein solches Spracherfordernis erschwert nämlich eine Familienzusammenführung, indem es die Voraussetzungen für eine erstmalige Aufnahme des Ehegatten eines türkischen Staatsangehörigen im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats im Vergleich zu den Vorschriften verschärft, die galten, als die
Familienzusammenführung trägt zur Förderung der Integration in Mitgliedstaat bei
Der Gerichtshof hebt hervor, dass die Familienzusammenführung ein unerlässliches Mittel zur Ermöglichung des Familienlebens
Erschwerte Familienzusammenführung kann sich negativ auf Erwerbstätigkeit in Deutschland lebender türkischer Staatsangehöriger auswirken
Auf die Entscheidung eines türkischen Staatsangehörigen wie Herrn Dogan, sich in einem Mitgliedstaat niederzulassen, um dort dauerhaft einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, kann es sich nämlich negativ auswirken, wenn die Rechtsvorschriften dieses Staates die Familienzusammenführung erschweren oder unmöglich machen und sich der
Voraussetzungen für Einführung einer neuen Beschränkung nicht gegeben
Schließlich kann zwar die Einführung einer neuen Beschränkung zugelassen werden, sofern sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet ist, die Erreichung des angestrebten legitimen Zieles zu erreichen, und nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinausgeht, doch hält der Gerichtshof diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht für gegeben.
automatisch Ablehnung der Familienzusammenführung durch fehlende Sprachkenntnisse berücksichtigt keine Umstände des Einzelfalls
Er führt hierzu aus, dass, auch wenn man davon ausgeht, dass die von der deutschen Regierung angeführten Gründe (die Bekämpfung von Zwangsverheiratungen und die Förderung der Integration) zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen können, eine nationale Regelung wie das fragliche Spracherfordernis über das hinausgeht, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist, da der fehlende Nachweis des Erwerbs hinreichender Sprachkenntnisse automatisch zur Ablehnung des Antrags auf Familienzusammenführung führt, ohne dass besondere Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.
Erläuterungen
* - Diese Klausel befindet sich in dem Zusatzprotokoll, das am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichnet und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 über den Abschluss des Zusatzprotokolls und des Finanzprotokolls, die am 23. November 1970 unterzeichnet wurden und dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei als Anhänge beigefügt sind, und über die zu deren Inkrafttreten zu treffenden Maßnahmen (ABl. L 293, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde.
** - Als neu gelten dabei Beschränkungen, die nicht schon bestanden, als diese Klausel für den jeweiligen Mitgliedstaat in Kraft trat (für Deutschland:
1. Januar 1973).
*** - Nach Ansicht des Gerichtshofs braucht aufgrund dieser Antwort die zweite Frage des Verwaltungsgerichts, ob auch die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251, S. 12) dem Spracherfordernis entgegensteht, nicht geprüft zu werden.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 10.07.2014
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
- BVerwG: Erfordernis einfacher Deutschkenntnisse beim Ehegattennachzug im Einklang mit Grundgesetz und Europarecht
(Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.03.2010
[Aktenzeichen: BVerwG 1 C 8.09]) - Spracherfordernis beim Nachzug zu Deutschen nur eingeschränkt erforderlich
(Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 04.09.2012
[Aktenzeichen: BVerwG 10 C 12.12]) - Erfordernis von deutschen Sprachkenntnissen bei Ehegattennachzug rechtmäßig
(Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 19.12.2007
[Aktenzeichen: VG 5 V 22.07])
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Dokument-Nr. 18469
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