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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.03.2008
- 7 MS 114/07, 7 MS 115/07 -
Bau des JadeWeserPorts in Wilhelmshaven kann beginnen
Keine naturschutzrechtlichen Bedenken
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die sofortige Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest für den Ausbau der Jade und die Errichtung eines Tiefwasserhafens für Containerschiffe (JadeWeserPort) in Wilhelmshaven mit geringen Einschränkungen bestätigt.
Zur Herstellung der neuen Hafenfläche soll nördlich an die Niedersachsenbrücke angrenzend auf einer Fläche von ca. 356 ha ein Hafengebiet aufgespült werden, das eine ca. 119,4 ha Terminalfläche mit Kaje, einen ca. 172 ha großen Hafengroden, Verkehrsflächen für Straßen und Schienen sowie eine Fläche für Sondernutzungen aufweist. Die Jade-Fahrrinne soll zwischen den Kilometern 7 und 15 zur wasserseitigen Anbindung verlegt werden. Ziel ist es, Schiffen mit einem Tiefgang von bis zu 16 m die an der deutschen Nordseeküste bisher nicht gegebene Möglichkeit eines tideunabhängigen Anlaufens zu ermöglichen.
Der Antragsteller des erstgenannten Verfahrens, ein naturschutzrechtlich anerkannter Verein, hat gegen die angeordnete sofortige Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses u. a. geltend gemacht, das Vorhaben sei nicht so wichtig oder dringlich, dass mit seiner Umsetzung nicht bis zur rechtskräftigen Entscheidung im laufenden Klageverfahren gewartet werden könne. Die Herstellung der notwendigen Verkehrsanbindungen sei nicht absehbar. Vor allem begegne das Projekt gravierenden naturschutzrechtlichen Bedenken. Nicht alle geschützten Tierarten seien erfasst worden. Der zu erwartende Bahnverkehrslärm stehe im Widerspruch zum Schutzzweck der Verordnung zum Naturschutzgebiet "Voslapper Groden-Süd", die ein Europäisches Vogelschutzgebiet ausweist.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 7. Senat - hat die Bedenken in seiner Entscheidung überwiegend nicht geteilt. Es hat das Vorliegen der Voraussetzungen der sofortigen Vollziehung, also des Gebrauchmachendürfens von der Gestattung bereits vor Rechtskraft der anhängigen Klageverfahren, bejaht und ausgeführt, dass die Klage des Antragstellers voraussichtlich überwiegend keinen Erfolg haben wird. Von ihm zu rügende Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich. Auch die Standortwahl ist nicht zu beanstanden. Mit seinem Vorbringen zum Artenschutz ist der Antragsteller ausgeschlossen, weil er im Einwendungsverfahren entsprechende Rügen nicht erhoben hat. Eine fehlerhafte Behandlung des Natur- und Landschaftsschutzes ist nicht festzustellen. Nicht leicht zu beurteilen ist allerdings die vom Antragsteller beanstandete Verträglichkeit des Vorhabens mit den Erhaltungszielen des Europäischen Vogelschutzgebiets, die dortigen Brutbestände der wertgebenden Vogelarten (etwa Rohrdommel und Schilfrohrsänger) zu erhalten und vor erheblichen Beeinträchtigungen zu bewahren. Es ist wissenschaftlich nicht zweifelsfrei geklärt, wie diese Bestände auf Bahn- und Baulärm reagieren. Das europäische Naturschutzrecht enthält insoweit sehr rigide Vorgaben. Lässt sich eine erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele nicht mit Sicherheit ausschließen, ist das Projekt grundsätzlich unzulässig. Die Planfeststellungsbehörde hat dieses Problem gesehen und dem Vorhabensträger - dem Land Niedersachsen - ein Wahlrecht zwischen der sofortigen Errichtung einer Lärmschutzwand entlang der am nördlichen Rand des Vogelschutzgebiets geplanten Bahntrasse einerseits und begleitenden Beobachtungen ("Monitoring") andererseits eingeräumt, um zunächst festzustellen, ob überhaupt signifikante Beeinträchtigungen auftreten. Erst bei entsprechenden Feststellungen müsse die Wand gebaut werden.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 7. Senat - hat das Schutzkonzept zur Beseitigung der möglichen Erheblichkeit einer Beeinträchtigung im Ansatz gebilligt, das dem Vorhabensträger insoweit eingeräumte Wahlrecht aber außer Vollzug gesetzt. Eine ausreichend sichere Milderung eventueller erheblicher Beeinträchtigungen der Bruthabitate ist nur gewährleistet, wenn die Schallschutzwand sogleich errichtet wird. Dadurch wird auch der potentiell schädliche Lärm beim Bau der Bahntrasse gemindert. Mit der Schallschutzwand kann nach den Schallschutzberechnungen sichergestellt werden, dass sich die Lärmsituation im Vogelschutzgebiet gegenüber dem bisherigen Zustand im Ergebnis praktisch nicht verändert. Im zweiten Verfahren ging es um das Aussetzungsbegehren des Eigentümers eines Wohngrundstücks im Stadtteil Voslapp, das ca. 1,8 km westlich des Neuen Voslapper Seedeichs und ca. 2,8 km vom westlichen Rand der geplanten Terminalfläche entfernt liegt. Wie viele weitere Mitglieder einer Bürgerinitiative, die gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen, machte er geltend, dass Vorhaben sei nicht dringlich. Ihm fehle die Rechtfertigung, weil die erklärten Ziele nicht erreicht würden. Nicht lösbar seien vor allem die sich in der Folge stellenden Verkehrsprobleme auf Straße und Schiene. Die Grundstücke in Voslapp würden unnötig weiter an Wert verlieren und das Landschaftsbild negativ verändert. Vor allem werde es in der Kumulation von Betriebs- und Verkehrslärm zu unzumutbaren Beeinträchtigungen kommen. Nicht bedacht worden sei schließlich, dass es infolge der geplanten Kaimauer zu einem Anstieg des Grundwasserspiegels in Voslapp kommen werde, der die Nutzung der Häuser und Keller erheblich beeinträchtigen werde.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht ist keiner dieser Einwendungen gefolgt und hat den Aussetzungsantrag als unbegründet abgelehnt. Insbesondere hat die Planfeststellungsbehörde die Lärmsituation richtig beurteilt und auf dieser Basis zutreffend unzumutbare Beeinträchtigungen verneint. Die für Wohngebiete wie das des Antragstellers geltenden Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung und der TA Lärm werden nach allen Berechnungen deutlich unterschritten. Auch mit einer durch das Vorhaben verursachten Erhöhung des Grundwasserspiegels ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten nicht zu rechnen.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 07.03.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OVG Niedersachsen vom 07.03.2008
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