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Oberlandesgericht Bamberg, Urteil vom 31.10.2002
- I U 75/02 -
Ausnahmsweise Rotlichtverstoß keine grobe Fahrlässigkeit bei der Vollkaskoversicherung
Vollkasko muss zahlen
Wer bei Rot fährt und dabei einen Unfall verursacht, verliert nicht automatisch den Versicherungsschutz. So urteilte das OLG Bamberg im Fall eines Klägers, der sich auf eine Aufmerksamkeitsstörung berief. Die Versicherung muss den Schaden zahlen.
Der Versicherungsnehmer (Kläger) war gegen 23.00 Uhr in Bamberg bei Rotlicht in eine Kreuzung mit Lichtzeichenregelung eingefahren, nachdem er zunächst 10 – 20 Sekunden vor der Rotlicht zeigenden Ampel angehalten hatte. Im Kreuzungsbereich kam es zu einem Zusammenstoß mit einem Eigenschaden des Versicherungsnehmers in Höhe von 53.000,-- DM. Beim Kläger war ein Jahr zuvor eine zentrale visuelle und auditive Verarbeitungs-/Aufmerksamkeitsstörung mit Verdacht einer binokularen Fusionsstörung diagnostiziert worden. Die von ihm in Anspruch genommene Vollkaskoversicherung berief sich auf Leistungsfreiheit wegen grober Fahrlässigkeit, § 61 VVG. Der Kläger war dagegen der Meinung, infolge seines Wahrnehmungsdefektes beruhe sein Fehlverhalten auf einer Aufmerksamkeitsstörung, die ein blosses „Augenblicksversagen“, daher keinen Fall der groben Fahrlässigkeit darstelle.
Der für Versicherungsfragen zuständige 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat dem Versicherungsnehmer Recht gegeben. Er habe den Versicherungsfall weder vorsätzlich noch durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt. Dieser der Versicherung obliegende Beweis sei nicht erbracht. Zwar stelle das Durchfahren einer Rotlicht zeigenden Signalanlage einen objektiv groben Pflichtverstoß dar; der Kläger habe allerdings Umstände dargelegt, die einen Rückschluss vom groben objektiven Pflichtverstoß auf eine subjektiv grobe Fahrlässigkeit verbiete. Der Senat ist dabei der ärztlicherseits attestierten Verarbeitungsstörung des Klägers gefolgt, wonach ein sogenanntes „Augenblicksversagen“ vorliege.
Ein erheblich gesteigertes Verschulden, wie es die grobe Fahrlässigkeit voraussetze, könne auch nicht darin gesehen werden, dass der Kläger trotz Kenntnis der ärztlich attestierten Impulsivität – Hyperaktivität – Verarbeitungsstörung die zum Unfall führende Fahrt angetreten habe. Der Gutachter habe nämlich ausgeführt, dass der Kläger im Laufe seines Lebens vielfältige Strategien der Signalverarbeitung entwickelt habe, um die erlebten Defizite auszugleichen. Zudem spreche der Umstand, daß beim Kläger 26 Jahre lang ähnliche Ausfallerscheinungen im Straßenverkehr nicht zu beobachten gewesen seien, für ihn.
Vorinstanz: LG Bamberg - 2 O 329/99
§ 61 VVG lautet:
„(Schuldhafte Herbeiführung des Versicherungsfalls) Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt.
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Quelle: Pressemitteilung des OLG Bamberg vom 17.12.2002, bearbeitet von der ra-online Redaktion
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Dokument-Nr. 1132
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