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Oberlandesgericht Naumburg, Entscheidung vom 07.11.2006
1 Ws 533/06 -

Beschleunigungsgrundsatz verletzt - OLG entlässt Angeklagten aus Untersuchungshaft

Grundsätzlich soll an zwei Verhandlungstagen pro Woche verhandelt werden

Weil der Beschleunigungsgrundsatz der Strafprozessordnung - die zügige Durchführung des Strafverfahrens - nicht hinreichend eingehalten wurde, hat das Oberlandesgericht Naumburg einen Angeklagten (in der Presse als so genannter "Gas-Bomber von Halle" bezeichnet) nach 2 ½ Jahren aus der Untersuchungshaft entlassen.

Der Angeklagte wurde vom Landgericht Halle am 6.12.2005 u.a. wegen versuchten Mordes und Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Das Urteil ist bislang nicht rechtskräftig, weil der Angeklagte Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt hat. Mit dem Urteil hatte das Landgericht Halle die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Der Angeklagte befand sich seit dem 16.3.2004 in Untersuchungshaft. Gegen den Beschluss des Landgerichts Halle, mit dem die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet wurde, hat der Angeklagte im Oktober 2006 Beschwerde eingelegt, der das Landgericht Halle nicht abgeholfen hat. Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist gemäß § 122 Strafprozessordnung das Oberlandesgericht. Die Strafprozessordnung sieht die Anordnung der Untersuchungshaft grundsätzlich nur bis zu einer Dauer von 6 Monaten vor. Soll die Untersuchungshaft über diesen Zeitraum hinaus fortbestehen, müssen dafür besondere Gründe vorliegen. Die Anforderungen an diese Gründe steigen mit der fortschreitenden Dauer der Untersuchungshaft. Entscheidend ist nach der mittlerweile sehr strengen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, ob die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte alle zumutbaren Maßnahmen getroffen haben, um die Ermittlungen so schnell wie möglich abzuschließen und ein Urteil herbeizuführen. Kommt es zu vermeidbaren und dem Staat zurechenbaren Verfahrensverzögerungen und überschreitet der Vollzug der Untersuchungshaft die 6 Monatsfrist in ungewöhnlichem Maße, kann ein Verstoß gegen das Grundrecht des Angeklagten aus Art. 2 Grundgesetz vorliegen, mit der Folge, dass der Angeklagte, auch wenn ihm schwere Straftaten zur Last gelegt werden, aus der Untersuchungshaft zu entlassen ist.

Innerhalb dieser Vorgaben durch das Bundesverfassungsgericht hatte der Strafsenat des Oberlandesgerichts über die Beschwerde des Angeklagten zu entscheiden. Der Senat war der Ansicht, dass im Hinblick auf die seit 2 ½ Jahren andauende Untersuchungshaft nunmehr keine hinreichenden Gründe für ihre Fortdauer bestehen, weil dem Beschleunigungsgrundsatz nicht in vollem Unfang genügt worden sei. Der Strafsenat sieht es als bedenklich an, dass während der Dauer der Hauptverhandlung ( 17.11.2004 - 6.12.2005 ) im Durchschnitt lediglich an einem Verhandlungstag pro Woche verhandelt worden sei, während das Bundesverfassungsgericht seit seiner Entscheidung vom 29.11.2005 bei Haftsachen grundsätzlich 2 Verhandlungstage pro Woche verlange, um dem Beschleunigungsgebot zu genügen. Der Strafsenat sieht einen Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz weiter darin, dass das Urteil der Verteidigerin des Angeklagten erst rund 6 Monate nach der Urteilsverkündung zugestellt worden sei. Diese Verzögerung habe zwar seine Ursache darin gehabt, dass das Pro-tokoll über die mündliche Verhandlung erst zu diesem Zeitpunkt fertig gestellt worden sei. Denn nach der Verkündung des Urteils schieden zwei Mitglieder der Strafkammer aus dem Justizdienst aus, so dass die verbleibende Richterin nicht nur das schriftliche Urteil ( 141 Seiten ), sondern neben weiteren Tätigkeiten auch noch das 365seitige Protokoll erstellen musste. Da an der Abfassung des schriftlichen Urteils nur die Richter beteiligt sein dürfen, die an der mündlichen Verhandlung und der Urteilsverkündung teilgenommen haben, kam eine personelle "Nachrüstung" der Kammer nicht in Be-tracht. Hinsichtlich der genannten Unstände stellt der Strafsenat in seinem Beschluss fest, dass sie jedenfalls nicht zu lasten des Angeklagten gehen könnten, nachdem die Untersuchungshaft 2 ½ Jahre angedauert habe. Der Strafsenat hat daher die Entlas-sung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft angeordnet.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 13.11.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Naumburg

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