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Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.03.2015
1 B 298/14, 1 B 300/14 -

Ehemaliges Boardinghaus kann vorläufig als Gemeinschafts­unter­kunft für Asylbewerber genutzt werden

Interessen der Nachbarn auf Nutzung ihrer Gebäude werden durch Gemeinschafts­unter­kunft nicht nennenswert beeinträchtigt

Das Sächsische Ober­verwaltungs­gericht hat entschieden, dass ein leerstehendes Gebäude in Schkeuditz, das früher als Hotel und Boardinghaus (d. h. zur Beherbergung von Langzeitnutzern) diente, vorläufig als Gemeinschafts­unter­kunft für Asylbewerber genutzt werden darf.

Im zugrunde liegenden Streitfall legten zwei Nachbarn, die ein Hotel bzw. ein Bürogebäude betreiben, Widerspruch gegen eine Baugenehmigung des Landkreises Nordsachsen ein. Mit dieser Baugenehmigung wurde einer Vermögensverwaltungsgesellschaft erlaubt, ein leerstehendes Gebäude auf dem angrenzenden Grundstück als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber zu nutzen. Um zu verhindern, dass das leerstehende Gebäude schon vor der Entscheidung über die Widersprüche als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber genutzt wird, hatten die Nachbarn zusätzlich beim Verwaltungsgericht Leipzig vorläufigen Rechtsschutz beantragt.

Abweichung vom Bebauungsplan im vorliegenden Fall zulässig

Das Verwaltungsgericht ordnete die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Nachbarn an, so dass vor einer Entscheidung über die Widersprüche der Nachbarn keine Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft möglich gewesen wäre. Auf die Beschwerden des Landkreises wurden die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts nunmehr geändert und die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt. Nach Auffassung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts schließt zwar der für das Gewerbegebiet geltende Bebauungsplan, der im betreffenden Bereich ein Sondergebiet „Hotel/Boardinghaus“ ausweist, eine solche Nutzungsänderung grundsätzlich aus. Jedoch hat der Landkreis nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts in der Baugenehmigung zu Recht eine Abweichung vom Bebauungsplan erlaubt. Rechtsgrundlage dafür ist § 31 Abs. 2 BauGB. Danach kann ein Antragsteller u. a. dann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge des Bebauungsplans nicht berührt werden, Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

Gründe des Allgemeinwohls erfordern Nutzung des leerstehenden Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber

Diese Voraussetzungen hat das Oberverwaltungsgericht bejaht. Denn die Grundzüge des Bebauungsplans werden bezogen auf das gesamte Gewerbegebiet durch die Umnutzung des einen Gebäudes nicht berührt und die Interessen der Nachbarn auf Nutzung ihrer Gebäude als Hotel bzw. Bürohaus nicht nennenswert beeinträchtigt, weil sie in Autobahnnähe am Rande des Gewerbegebiets liegen. Zudem erfordern Gründe des Allgemeinwohls die Nutzung des leerstehenden Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber. Aufgrund einer Gesetzesänderung des § 31 Abs. 2 BauGB gehört seit 26. November 2014 zu solchen Allgemeinwohlgründen ausdrücklich auch der Bedarf zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden. Dazu hat der Landkreis glaubhaft dargelegt, dass die von ihm bereits im Jahre 2014 aufgenommenen 600 Flüchtlinge und die im Jahre 2015 zu erwartenden weiteren 625 Flüchtlinge ohne die Umnutzung des leerstehenden Gebäudes, das 85 Flüchtlingen Platz bietet, von ihm nicht untergebracht werden können. Somit ist trotz der noch offenen Widersprüche der Nachbarn die Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber vorläufig, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, möglich. Gegen die beiden Beschlüsse des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts stehen keine Rechtsmittel zur Verfügung. In der Hauptsache, d. h. zunächst bei der Entscheidung über die Widersprüche der Nachbarn, schließt das Gesetz jedoch eine andere Entscheidung nicht aus.

§ 31 Abs. 2 BauGB in der ab 26. November 2014 geltenden Fassung lautet:

Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, die Befreiung erfordern oder

2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder

3. die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 12.03.2015
Quelle: Sächsisches Oberverwaltungsgericht/ra-online

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Kommentare (1)

 
 
Konradowski schrieb am 13.03.2015

Ebenfalls eine Entscheidung, die durch Benutzung des gesunden Menschenverstandes überflüssig geworden wäre.

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