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Bundessozialgericht, Urteil vom 14.05.2014
B 6 KA 21/13 R -

Krankenkassen müssen Kosten für Buscopan® nicht generell übernehmen

Medikament muss nicht generell für verordnungsfähig erklärt werden

Stellt ein Pharmaunternehmen beim Gemeinsamen Bundesausschuss den Antrag, ein Arzneimittel in die Liste der Medikamente aufzunehmen, die trotz fehlender Verschreibungs­pflicht ausnahmsweise zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden dürfen, muss der Gemeinsame Bundesausschuss darüber umfassend entscheiden. Bei der Bearbeitung des Antrags der Firma B. in Bezug auf Buscopan® hat der Gemeinsame Bundesausschuss genau dies nicht hinreichend beachtet und muss deshalb prüfen, ob dieses Medikament als Standard­therapeutikum bei schweren und schwersten spastischen Abdominal­beschwerden in die Liste aufzunehmen ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­sozial­gerichts hervor.

Im zugrunde liegenden Verfahren stand die Aufnahme des nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels Buscopan Dragees in die Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie im Streit.

Pharmaunternehmen beantragt Aufnahme von Buscopan Dragees in die Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie

Das Arzneimittel ist zugelassen für das Anwendungsgebiet "Behandlung von leichten bis mäßig starken Spasmen des Magen-Darm-Traktes sowie Behandlung spastischer Abdominalbeschwerden beim Reizdarmsyndrom". Die Klägerin beantragte beim beklagten Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) die Aufnahme von Buscopan Dragees in die Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie (OTC-Übersicht) als Standardtherapeutikum zur Behandlung spastischer Abdominalbeschwerden beim Reizdarmsyndrom. Der Beklage lehnte den Antrag mit Beschluss vom 22. Januar 2009 ab. Es könne dahinstehen, ob schwerwiegende Fälle spastische Abdominalbeschwerden beim Reizdarmsyndrom als schwerwiegende Erkrankung im Sinne der Arzneimittel-Richtlinie anzusehen seien. Buscopan Dragees stellten jedenfalls nicht den Therapiestandard für die Behandlung dieser Beschwerden dar. Der Widerspruch der Klägerin war erfolglos.

LSG weist Klage des Pharmaunternehmens ab

Das Landessozialgericht Berlin wies die Klage ab. Spastische Abdominalbeschwerden beim Reizdarmsyndrom seien keine "schwerwiegende Erkrankung" im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Allenfalls für die Indikation "spastische Abdominalbeschwerden beim schweren Reizdarmsyndrom" sei die Schwelle der "schwerwiegenden" Beeinträchtigung erreicht. Für diese Indikation fehle es aber an dem erforderlichen Antrag. Unabhängig davon handle es sich bei Buscopan Dragees zwar um eine gängige Therapiemöglichkeit, nicht aber um den Therapiestandard.

Pharmaunternehmen weist auf Form- und Verfahrensfehler hin

Die Klägerin macht mit ihrer Revision geltend, dass der Beklagte bei seiner Entscheidung Form- und Verfahrensfehler begangen habe. Spastische Abdominalbeschwerden beim Reizdarmsyndrom seien eine schwerwiegende Erkrankung, die standardmäßig mit Buscopan behandelt würden.

Gemeinsamer Bundesausschuss darf Verordnungsfähigkeit an bestimmte Voraussetzungen binden

Das Bundessozialgericht verwies darauf, dass das klagende Pharmaunternehmen berechtigt ist, die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses, ein (nur) apothekenpflichtiges Medikament nicht in die Liste der ausnahmsweise verordnungsfähigen Arzneimittel aufzunehmen, anzufechten und die gerichtliche Feststellung zu erwirken, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Liste entsprechend ergänzen muss. Dabei ist der Gemeinsame Bundesausschuss berechtigt, die Verordnungsfähigkeit an bestimmte Voraussetzungen zu binden, etwa an das Vorliegen besonders schwerer Krankheitsverläufe oder an erfolglose Versuche der Behandlung der Erkrankung auf andere Weise. Deshalb können die Gerichte dem Gemeinsamen Bundesausschuss grundsätzlich keine bestimmte Fassung der Arzneimittelrichtlinie vorschreiben.

Krankheitsbilder beschreiben nicht per se "schwerwiegende" Erkrankung im Sinne des Gesetzes

Soweit der Gemeinsamen Bundesausschuss Buscopan® nicht generell auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 SGB V für die Behandlung des Reizdarmsyndroms und der spastischen Beschwerden bei dieser Krankheit in der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen hat, ist dessen Entscheidung nicht zu beanstanden. Diese Krankheitsbilder beschreiben nicht per se eine "schwerwiegende" Erkrankung im Sinne des Gesetzes. Das kann bei "schweren und schwersten spastischen Abdominalbeschwerden" jedoch anders sein. Da sich der Gemeinsame Bundesausschuss nach seiner Einlassung im Verfahren vor dem Landessozialgericht zumindest nicht ausdrücklich mit der Frage befasst hat, ob Buscopan® bei diesen Diagnosen und unter Berücksichtigung der für den Arzt zur Verfügung stehenden therapeutischen Alternativen sowie möglichweise zusätzlicher Voraussetzungen (Erfolglosigkeit anderer Behandlungen) Therapiestandard sein kann, muss der Gemeinsame Bundesausschuss darüber noch entscheiden. Das Begehren der Klägerin, Buscopan® generell für verordnungsfähig zu erklären, ist dagegen nicht begründet.

Rechtsvorschriften

§ 34 Ausgeschlossene Arznei-, Heil- und Hilfsmittel

(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:

1. versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr,

2. versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.

Für Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind von der Versorgung nach § 31 folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verordnung in den genannten Anwendungsgebieten ausgeschlossen:

1. Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel,

2. Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen,

3. Abführmittel,

4. Arzneimittel gegen Reisekrankheit.

Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 16.05.2014
Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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