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Sozialgericht Osnabrück, Urteil vom 26.07.2019
S 43 AL 68/19 ER -

Bundesagentur für Arbeit ist nicht zur Kostenübernahme für eine zweite Ausbildung einer erheblich Hörgeschädigten verpflichtet

Zu finanzieren ist nur eine zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt notwendige Ausbildung

Die Bundesagentur für Arbeit ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die bestmögliche Ausbildung zu finanzieren, sondern nur eine zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt notwendige Ausbildung. Dies entschied das Sozialgericht Osnabrück und lehnte es damit in einem einstweiligen Recht­schutz­verfahren ab, die Bundesagentur vorläufig nicht zur Kostenübernahme für eine (zweite) Ausbildung einer erheblich hörgeschädigten Antragstellerin zur Erzieherin zu verpflichten.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die im Jahr 2000 geborene Antragstellerin trägt auf der einen Seite ein Hörgerät und ist auf dem anderen Ohr mit einem Cochleaimplantat versorgt. Bei ihr sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen H (für hilflos), GL (für gehörlos) und RF (für eine Befreiung von Rundfunkgebühren) festgestellt. Die Antragstellerin besuchte bis Sommer 2017 eine Schule für Hörgeschädigte.

Berufsausbildung kommt auf eher einfachem Niveau infrage

In einem im Jahr 2016 erstatteten psychologischen Gutachten wird über die Antragstellerin ausgeführt, dass sie in einer sehr ruhigen Umgebung in der Lage sei, das gesprochene Wort zu verstehen. Sie greife auf Lippenlesen zurück und nutze unterstützende Gesten. Eine Überprüfung der kognitiven Fähigkeiten ergab ein allgemeines intellektuelles Leistungsvermögen leicht unter dem Durchschnitt der Hauptschulnorm. Die Antragstellerin wurde als sehr freundlich, zugewandt und aufmerksam beschrieben. Eine Berufsausbildung komme auf einem eher einfachen Niveau infrage. Die Testergebnisse seien im Grenzbereich zur Lernbehinderung anzusehen, sodass eine kontinuierliche Unterstützung bei der Ausbildung erforderlich sei.

Lehrerin sieht Voraussetzungen zur Erlernung des Berufs der Erzieherin erfüllt

Im Anschluss an die Schule schloss die Antragstellerin eine zweijährige, von der Bundesagentur für Arbeit geförderte Ausbildung zur staatlich anerkannten sozialpädagogischen Assistentin mit der Durchschnittsnote 2,6 ab. In einer Stellungnahme führte die Klassenleiterin der Antragstellerin aus, dass diese über alle Voraussetzungen verfüge, den Beruf der Erzieherin in einem hörgeschädigtengerechten Umfeld im Rehabilitationsrahmen zu erlernen. Die Motivation und Qualität der Arbeit der Antragstellerin wurden positiv hervorgehoben.

Bundesagentur für Arbeit verweigert weitere Kostenübernahme

Die im April 2019 bei der Bundesagentur für Arbeit beantragte Übernahme der Kosten für eine Ausbildung als Erzieherin lehnte die Bundesagentur unter Hinweis auf § 7 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ab. Mit dem Berufsabschluss der sozialpädagogischen Assistentin sei das Förderziel erreicht. Es bestünden sehr gute Vermittlungschancen für eine Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt. Es bestehe keine Notwendigkeit einer weiteren Förderung. Darüber hinaus bestehe die Gefahr einer Überforderung der Antragstellerin.

Nachdem der Widerspruch der Antragstellerin erfolglos blieb, wandte sich diese mit Klage und einstweiligem Rechtsschutzersuchen an das Sozialgericht Osnabrück.

SG: Antragstellerin hat allein Anspruch auf eine zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt notwendige Ausbildung

Das Sozialgericht Osnabrück entschied, dass die Ablehnung der weiteren Förderung der Antragstellerin rechtmäßig ist. Dabei blieb ausdrücklich offen, ob die Ausübung des Berufs der Erzieherin mit den bei der Antragstellerin unstreitig gegebenen Einschränkungen überhaupt möglich sei. Es bestünden insoweit gewisse Zweifel, welche aber im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht aufgeklärt werden könnten. Jedenfalls sah das Gericht aber eine sogenannte arbeitsmarktliche Notwendigkeit als nicht glaubhaft gemacht an. Die Antragstellerin habe allein einen Anspruch darauf, dass ihr durch die Bundesagentur für Arbeit die zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt notwendige Ausbildung, nicht jedoch die bestmögliche gewährt wird. Die Antragstellerin ist mit dem von ihr bislang erlernten Beruf auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelbar.

Das Gericht hat in seine Betrachtungen auch die UN-Behindertenrechtskonvention einbezogen. Das Recht auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu einer anderweitigen als der aktuell ausgeübten Tätigkeit ist jedoch gewahrt, da auch ohne die Behinderung der Antragstellerin eine Zweitausbildung von der arbeitsmarktlichen Notwendigkeit abhängen würde. Eine solche besteht aber vorliegend gerade nicht.

Hinweis zur Rechtslage:

§ 7 SGB III

Bei der Auswahl von Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung hat die Agentur für Arbeit unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung oder Kombination von Leistungen zu wählen. Dabei ist grundsätzlich auf

1. die Fähigkeiten der zu fördernden Personen,

2. die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes und

3. den anhand der Ergebnisse der Beratungs- und Vermittlungsgespräche ermittelten arbeitsmarktpolitischen Handlungsbedarf

abzustellen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 01.11.2019
Quelle: Sozialgericht Osnabrück/ra-online (pm/kg)

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Kommentare (1)

 
 
Johannes Reinders schrieb am 04.11.2019

Die junge Frau sollte erst einmal auf der Basis

des bisher Erlernten eine berufliche Praxis starten. Es ist ja nicht einmal sicher, daß sie

die Anforderungen eines Arbeitgebers heute schon

erfüllt. Ohne Berufspraxis kann nicht beurteilt

werden, ob eine zusätzliche Ausbildung erforderlich ist oder nicht. Der Förderwunsch der Lehrerin kann nicht der Maßstab sein.

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