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Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 04.03.2013
- 7 K 3335/11 -
VG Karlsruhe: Wiederholtes und planmäßiges Kopieren rechtfertigt Entzug des Doktorgrads (Fall Koch-Mehrin)
Teilweise mehrseitige Passagen aus fremden Texten entnommen / 125 Plagiaten auf 80 Seiten
Nach den jetzt vorliegenden Urteilsgründen hat die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin teils mehrseitige Passagen samt Fußnoten aus fremden Texten übernommen. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte am 4. März die Anfechtungsklage von Koch-Mehrin gegen die vom Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg verfügte Entziehung ihres Doktorgrades abgewiesen.
Im zugrunde liegenden Fall wurde der Klägerin am 21. August 2000 aufgrund ihrer
Promotionsausschuss klassifiziert 125 Stellen der Dissertation als Plagiate
Dieser Beschluss wurde mit Verfügung des Vorsitzenden des Promotionsausschusses vom 22. Juni 2011 umgesetzt. Darin heißt es u.a., dass sich auf 80 Textseiten der
Klägerin hält Entscheidung des Promotionsausschusses für verfahrens- und ermessensfehlerhaft
Nach Durchführung eines - erfolglosen - Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin gegen diese Entscheidung am 14. Dezember 2011 Klage erhoben. Mit der Klage wendet sie sich gegen die der Entscheidung zugrundeliegenden Plagiatsvorwürfe und macht weiter geltend, dass die Entscheidung des Promotionsausschusses verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und im Übrigen ermessensfehlerhaft sei. Die beklagte
VG Karlsruhe weist Klage ab
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe wies die Klage jedoch ab. Es folgte der Argumentation der Klägerin nicht. Die Entziehungsverfügung und auch der Widerspruchsbescheid der
Teilweise mehrseitige Passagen aus fremden Texten anderer Autoren wortgleich oder nahezu wortgleich übernommen
In der Sache hat das Verwaltungsgericht die Einwände der Klägerin gegen den Plagiatsvorwurf ebenfalls zurückgewiesen. Die Klägerin habe nicht nur einzelne Sätze, sondern vielmehr erhebliche, teilweise mehrseitige Passagen - zum Teil samt Fußnoten - aus fremden Texten anderer Autoren wortgleich oder nahezu wortgleich übernommen, ohne dies hinreichend kenntlich zu machen. Der Plagiatsvorwurf treffe die Klägerin nicht nur vereinzelt oder im Sinne einer unsachgemäßen Handhabung der Zitierweise; vielmehr ließen die aufgefundenen Stellen den Schluss zu, dass die Klägerin fremde Passagen wiederholt und planmäßig als eigene wissenschaftliche Arbeit ausgewiesen habe. Dabei sei eine - grundsätzlich denkbare - Bagatellschwelle bei weitem überschritten.
Kennzeichnungs- und Offenbarungspflicht nicht ausreichend nachgekommen
Die Tatsache, dass die Klägerin einige der betroffenen Werke, aus denen sie ganze Passagen wortgleich oder nahezu wortgleich übernommen habe, unter der Rubrik "X.5 Sekundärliteratur" in ihr Literaturverzeichnis aufgenommen hat, stelle die Berechtigung des Plagiatsvorwurfs nicht in Frage; denn der Leser eines wissenschaftlichen Werkes erwarte, dass wörtliche Übernahmen aus anderen Werken bei den jeweiligen Textstellen als Zitate oder auf andere geeignete Weise kenntlich gemacht würden (VG Freiburg, Urteil vom 23.05.2012 - 1 K 58/12 -; VG Frankfurt, Urteil vom 23.05.2007 - 12 E 2262/05 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 -). Der Kennzeichnungs- und Offenbarungspflicht in einer
Unbeachtlich ist, ob der Klägerin für die eingereichte Dissertation ohne die beanstandeten Seiten oder bei jeweils wörtlicher Zitierung der Doktorgrad noch verliehen worden wäre
Der Einwand der Klägerin, sie habe umfangreiche eigene Recherchen durchgeführt und die zentralen Forschungsergebnisse ihrer Arbeit beruhten auf ihrer eigenen wissenschaftlichen Leistung, sei unbeachtlich. Denn es komme nicht darauf an, ob der Klägerin für die eingereichte
Entzug des Doktorgrads auch nach langer Zeit verhältnismäßig
Der Promotionsausschuss habe auch die Tatsache, dass seit der Verleihung des Doktorgrades und dessen Entziehung mehr als zehn Jahre vergangen waren, hinreichend berücksichtigt (zur Berücksichtigung des Zeitablaufs seit der Verleihung des Doktorgrades im Rahmen des Ermessens vgl. zuletzt VG Köln, Urteil vom 22.03.2012 - 6 K 6097/11 - , NWVBl. 2012, 366 und VG Köln, Urteil vom 06.12.2012 - 6 K 2684/12 -). Der Faktor Zeitablauf sei zwar weder in dem Sitzungsprotokoll des Promotionsausschusses vom 14.06.2011 noch in dem ausführenden Bescheid des Dekans vom 22.06.2011 gesondert thematisiert worden, der Promotionsausschuss hat jedoch ausweislich des Sitzungsprotokolls intensiv über die Verhältnismäßigkeit einer Entziehung des Doktortitels diskutiert und ist nach Abwägung aller sachlichen und persönlichen Gesichtspunkte zur Auffassung gekommen, dass die Entziehung des Doktortitels nicht gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstoße.
Ermessensentscheidung des Promotionsausschusses nicht zu beanstanden
Schließlich sei auch die getroffene Ermessensentscheidung des Promotionsausschusses nicht zu beanstanden. Aufgrund der anonymen Hinweise auf der Internetseite http://de.vroniplag.wikia.com/wiki habe der Promotionsausschuss zu Recht ein Prüfungsverfahren eingeleitet. Bei seiner abschließenden Entscheidung habe er die Möglichkeit milderer Mittel - wie etwa den Erlass sog. Nachbesserungsauflagen - ausreichend geprüft und auch die Tatsache, dass die Abgabe der
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 02.04.2013
Quelle: Verwaltungsgericht Karlsruhe/ra-online
- Täuschung bei der Dissertation: FDP-Beraterin Margarita Mathiopoulos verliert Doktortitel
(Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 06.12.2012
[Aktenzeichen: 6 K 2684/12]) - Abgeschrieben bei der Dissertation: Doktortitel des FDP-Politikers Chatzimarkakis zurecht aberkannt
(Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 22.03.2012
[Aktenzeichen: 6 K 6097/11]) - Plagiat: Doktortitel kann wegen Täuschung entzogen werden
(Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.10.2008
[Aktenzeichen: 9 S 494/08])
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