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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.07.2006
- 9 S 519/06 -
Kosmetikerin darf vorläufig weiter "Hautverjüngungsspritze" setzen
Keine plötzliche Untersagung nach fünfjähriger fehlerfreier Ausübung
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat entschieden, dass eine Kosmetikerin die von ihr seit mehr als fünf Jahren ohne Beanstandungen ausgeübte Faltenunterspritzung bis zur Klärung im Hauptsacheverfahren weiterhin ohne Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz durchführen darf, obwohl ihr dies von der zuständigen Ortspolizeibehörde mit Sofortvollzug untersagt worden war.
Das Gericht änderte einen ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe und ordnete die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Kosmetikerin gegen die Untersagungsverfüng der Stadt Mannheim an.
Die Antragstellerin ist Kosmetikerin und bietet als Inhaberin eines Kosmetikbetriebs Faltenunterspritzungen zur Glättung altersbedingter Falten im Gesicht und im Halsbereich an. Sie verwendet hierbei als Füllmaterial ausschließlich Stoffe aus Hyaluronsäure ohne tierische Bestandteile, die vom Körper abgebaut werden. Die Stoffe werden mit Hilfe einer sehr feinen Injektionsnadel und einer speziellen Injektionstechnik an der betroffenen Stelle unter die Haut der obersten Hautschicht gespritzt. Die Stadt Mannheim ist der Auffassung, dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine nach dem Heilpraktikergesetz erlaubnispflichtige Tätigkeit handle und untersagte deshalb der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die berufs- und gewerbsmäßige Faltenunterspritzung. Den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung des Sofortvollzugs lehnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 02.02.2006 ab. Die hiergegen von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde hatte Erfolg.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs überwiegt das private Interesse der Antragstellerin, von der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung vorläufig verschont zu bleiben. Bei summarischer Prüfung lasse sich nicht völlig zweifelsfrei feststellen, ob der Antragstellerin die von ihr ausgeübte Tätigkeit zu Recht untersagt worden sei. Zwar sei die kosmetische Faltenunterspritzung bei genereller Betrachtung nicht frei von Gesundheitsgefahren, insbesondere könnten abhängig vom verwendeten Stoff bei der Behandlung Nebenwirkungen wie lokale Schmerzen, Hämatome an der Injektionsstelle, Wundinfektionen, Unverträglichkeitsreaktionen sowie Lymphknotenschwellungen u.a. auftreten. Bei der von der Antragstellerin ausschließlich angewandten Injektion von Stoffen aus Hyaluronsäure ohne tierische Bestandteile seien hingegen kaum nennenswerte Gesundheitsgefahren zu besorgen. Bei dieser Behandlung könnte daher mangels eines nennenswerten Gefahrenpotenzials eine Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz für ausgebildete Kosmetikerinnen nach Sinn und Zweck des Gesetzes entbehrlich sein. Eine abschließende Klärung dieser Frage müsse der Hauptsacheentscheidung vorbehalten bleiben. Selbst wenn sich hierbei herausstellen sollte, dass die angewandte Methode der Faltenunterspritzung nach dem Heilpraktikergesetz erlaubnispflichtig sei, käme im Hinblick auf die von der Antragstellerin durchgeführte langjährige Behandlung, die ohne Komplikationen erfolgte, eine eingeschränkte Kenntnisüberprüfung innerhalb einer von der Behörde zu bestimmenden Frist in Betracht. Diese könnte der Untersagungsverfügung als mildere Maßnahme vorgeschaltet werden. Da eine sofortige Einstellung der Tätigkeiten zu erheblichen Umsatzverlusten der Antragstellerin führen und die wirtschaftliche Existenz ihres Geschäftsbetriebs mit mehreren Angestellten auf Dauer in Frage stellen würde, überwiege daher deren privates Interesse, vom Vollzug der Untersagungsverfügung vorläufig verschont zu bleiben.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 30.08.2006
Quelle: ra-online, VGH Baden-Württemberg
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Dokument-Nr. 2918
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