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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21.07.2010
- 1 BvR 2530/05, 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06 -
Kürzung der Rentenansprüche für Vertriebene und Flüchtlinge nach dem Fremdrentengesetz verfassungsgemäß
Ungleichbehandlung der Fremdrentenberechtigten mangels Leistung eigener Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gerechtfertigt
Die Kürzung der Rentenansprüche für Vertriebene und Flüchtlinge nach dem Fremdrentengesetz ist nicht verfassungswidrig. Die Berechnung der Alters- und Hinterbliebenenrente von den Rentenversicherungsträgern unter Berücksichtigung einer Obergrenze von insgesamt 25 Entgeltpunkten ist nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor, da eine Ungleichbehandlung der Fremdrentenberechtigten gegenüber den Versicherten, die ihr Versicherungsleben in der Bundesrepublik Deutschland verbracht haben, dadurch gerechtfertigt ist, dass die Betroffenen keine eigenen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet haben. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.
Im Fremdrentenrecht galt seit den 1960er Jahren das Eingliederungsprinzip, wonach Vertriebene und
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin des Verfahrens 1 BvR 2530/05 und die Klägerinnen der den drei konkreten Normenkontrollen zugrunde liegenden Ausgangsverfahren siedelten in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre, jedoch nach dem 7. Mai 1996 nach Deutschland aus und wurden hier als Spätaussiedlerinnen anerkannt. Ihre Ehemänner waren entweder schon im Herkunftsland verstorben oder starben wenige Jahre nach der Übersiedlung. In allen Fällen wurde die Berechnung der Alters- und Hinterbliebenenrente von den Rentenversicherungsträgern unter Berücksichtigung einer Obergrenze von insgesamt 25 Entgeltpunkten vorgenommen, was dazu führte, dass sich für die Hinterbliebenenrente kein bzw. nur ein geringer Zahlbetrag ergab, weil die 25 Entgeltpunkte bereits (teilweise) mit der eigenen Altersrente ausgeschöpft waren. Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer
Geltung gemeinsamer Obergrenze von 25 Entgeltpunkten ist mit Grundgesetz vereinbar
Das Bundesverfassungsgericht hat die
Betroffenen Renten liegen keine eigenen Leistung in eine bundesdeutsche Rentenversicherung zugrunde
Der einstimmig ergangenen Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Der Normenkontrollantrag ist unbegründet. Die hier betroffenen Renten, die ausschließlich auf Beitrags- und Beschäftigungszeiten außerhalb der gesetzlichen
Verstoß gegen Rückwirkungsverbot liegt nicht vor
Des Weiteren begründet Art. 15 Abs. 3 RVNG keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot. Art. 15 Abs. 3 RVNG führt zwar zumindest in formaler Hinsicht zu einer echten Rückwirkung, weil er bewirkt, dass die Neuregelung seit dem 7. Mai 1996 zeitlich anwendbar ist, obwohl sie erst mit der Verkündung am 26. Juli 2004 rechtlich existent geworden ist. Ob durch die Neufassung der Fremdrentenbeschränkung die Rechtslage tatsächlich konstitutiv verändert wurde und damit die Grundsätze des Rückwirkungsverbotes greifen oder ob dadurch lediglich die schon nach der alten Gesetzesfassung bestehende Rechtslage deklaratorisch bestätigt worden ist, so dass das Rückwirkungsverbot gar nicht eingreift, kann dahin stehen. Denn auch eine echte Rückwirkung wäre mangels eines schutzwürdigen Vertrauens der Berechtigten zulässig.
Klägerinnen durften bei Berechnung der Alters- und Hinterbliebenenrenten nicht auf Berücksichtigung von mehr als 25 Entgeltpunkten vertrauen
Das grundsätzliche Verbot der echten Rückwirkung greift nur ein, wenn eine gesetzliche Regelung dazu geeignet war, Vertrauen auf ihren Fortbestand in vergangenen Zeiträumen zu erwecken. Die Klägerinnen in den Ausgangsverfahren der Normenkontrollen konnten jedoch nicht darauf vertrauen, dass bei der Berechnung ihrer Alters- und Hinterbliebenenrenten mehr als 25 Entgeltpunkte berücksichtigt würden. Bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts am 30. August 2001 bestand keine Grundlage für dieses Vertrauen, weil damals nach übereinstimmender Rechtsauffassung weder die Rentenversicherungsträger noch die Sozialgerichte von einem solchen Regelungsgehalt der Norm ausgingen. Die dementgegenstehende Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 30. August 2001 war zur Vertrauensbildung ebenfalls ungeeignet. Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist nicht Gesetzesrecht und erzeugt keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung kann allenfalls bei gefestigter, langjähriger Rechtsprechung entstehen, die hier nicht existierte. Die auch nach dieser Entscheidung noch abweichende Haltung der Rentenversicherungsträger und eines beachtlichen Teils der Sozialgerichte stand vielmehr der Bildung von Vertrauen in den Fortbestand der Auslegung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. durch das Bundessozialgericht entgegen. Dass ein weiterer Senat des Bundessozialgerichts am 11. März 2004 dessen Rechtsauffassung bestätigte, ändert daran nichts, da die Neufassung durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz am selben Tag im Bundestag beschlossen wurde. Ab dem Tag des endgültigen Gesetzesbeschlusses des Bundestags kann der Bürger nicht mehr auf den Fortbestand der bisherigen Regelung vertrauen, sondern muss mit dem Inkrafttreten der Neuregelung ernsthaft rechnen.
Norm bewirkt keine Diskriminierung wegen der Heimat oder der Herkunft und Verstößt nicht gegen allgemeinen Gleichheitssatz
Aus den vorgenannten Gründen ist die
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 07.09.2010
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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Dokument-Nr. 10220
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