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Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss vom 20.07.2011
15 W 1400/11 ThUG -

Sicherungsverwahrung: Auch bei Gefahr nur "gravierender" Straftaten darf Unterbringung nach dem Therapieunterbringungsgesetz angeordnet werden

Vom Bundesverfassungsgericht festgelegter strenger Maßstab "hochgradiger Gefahr" findet im Bereich des Therapieunterbringungsgesetzes keine Anwendung

Der vom Bundesverfassungsgericht festgelegte strenge Maßstab der „hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten“, der in Fällen der nachträglichen oder über zehn Jahre hinaus verlängerten Sicherungsverwahrung angelegt werden soll, ist nicht auf den Tatbestand des § 1 Therapieunterbringungsgesetz zu übertragen. Dies entschied das Oberlandesgericht Nürnberg.

Im der zugrunde liegenden Verhandlung hatte sich das Gericht mit dem Fall eines vielfach vorbestraften 62-jährigen Mannes zu befassen, der im Jahr 1997 wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt und gegen den daneben die Sicherungsverwahrung angeordnet worden war. Diese wurde nach Verbüßung der Strafe in der Justizvollzugsanstalt Straubing vollzogen. Nach mehr als zehnjährigem Vollzug der Unterbringung war der Betroffene Anfang Juli 2011 schließlich auf Grundlage der neueren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, des Bundesverfassungsgerichts

und im Lichte einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Recht der Sicherungsverwahrung in die Freiheit entlassen worden.

Antrag auf Unterbringung des Straftäters gemäß Therapieunterbringungsgesetz erfolglos

Die Justizvollzugsanstalt Straubing hatte bereits Anfang des Jahres die vorläufige Unterbringung des Betroffenen nach dem erst zum 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Therapieunterbringungsgesetz (ThUG) beantragt und war mit diesem Antrag bei dem Landgericht Regensburg gescheitert. Dieses hatte die Zurückweisung des Antrags im Wesentlichen damit begründet, dass unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 auch eine Unterbringung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG nur dann zulässig sei, wenn von dem Betroffenen aufgrund seiner psychischen Störung eine hochgradige Gefahr „schwerster“ Gewalt- oder Sexualdelikte ausgeht. Da beim Betroffenen nur „gravierende“ und nicht schwerste Sexualstraftaten zu befürchten seien, dürfe keine vorläufige Unterbringung nach § 14 ThUG angeordnet werden.

Strenger Maßstab „hochgradiger Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten“ nicht bei Unterbringung gemäß des Therapieunterbringungsgesetzes anzuwenden

Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde der Justizvollzugsanstalt, über die das Oberlandesgericht Nürnberg zu entscheiden hatte. Das Gericht ordnete die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung im Sinne des § 2 ThUG sowie die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung an. In seiner Begründung stellt das Gericht fest, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts der in Fällen der nachträglich angeordneten oder über zehn Jahre hinaus verlängerten Sicherungsverwahrung anzulegende Maßstab der hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten nicht auf den Tatbestand des § 1 Abs. 1 ThUG zu übertragen ist. Hiergegen spräche nicht nur, dass das Bundesverfassungsgericht diesen strengen Maßstab in der Entscheidung vom 4. Mai 2011 ausdrücklich nur für den weiteren Verbleib der Altfälle in der Sicherungsverwahrung gefordert hat, sondern auch, dass eine Übertragung dieses Maßstabs im Ergebnis dazu führen würde, dass für das Therapieunterbringungsgesetz kein Anwendungsbereich verbleibt und dessen Vorschriften gänzlich leerlaufen. Dieses Ergebnis aber stünde in Widerspruch zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers, der einen möglichst nachhaltigen Schutz der Allgemeinheit vor schweren Rechtsgutsverletzungen durch psychisch gestörte Gewalt- oder Sexualstraftäter gerade auch in den Fällen, in denen solche Täter wegen des Rückwirkungsverbotes aus dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entlassen werden mussten, anstrebte.

Zwischenzeitlich ist der Betroffene, der sich zuletzt in Nordrhein-Westfalen aufhielt, durch die dortigen Behörden der vorläufigen Unterbringung zugeführt worden.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.07.2011
Quelle: Oberlandesgericht Nürnberg/ra-online

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