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Verwaltungsgericht Stuttgart, Beschluss vom 29.04.2013
7 K 929/13 -

Eilantrag gegen Bürgerbegehren "Energie- und Wasserversorgung Stuttgart" erfolglos

Bürgerbegehren ist auf rechtswidriges Ziel gerichtet und damit unzulässig

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat die Anträge zweier Stuttgarter Bürger abgelehnt, mit denen diese den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung des Bürgerbegehrens "Energie- und Wasserversorgung Stuttgart" sichern wollten. Nach Auffassung des Gerichts kommt der Erlass der beantragten Anordnungen zur Sicherung des Bürgerbegehrens schon deshalb nicht in Betracht, weil das Bürgerbegehren nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet und damit voraussichtlich unzulässig ist.

Die Antragsteller des zugrunde liegenden Streitfalls sind Unterzeichner des Bürgerbegehrens "Energie- und Wasserversorgung Stuttgart", das der Landeshauptstadt Stuttgart am 14. Februar 2012 übergeben worden war. In dem Bürgerbegehren wird ein Bürgerentscheid zu folgender Frage beantragt: "Sind Sie dafür, dass die Stadt Stuttgart die Konzession und den Betrieb der Netze für Wasser, Strom, Gas und Fernwärme spätestens ab 1. Januar 2014 selbst übernimmt? Und sind Sie gegen einen Gemeinderatsbeschluss, der dem nicht entspricht?".

Stadt erklärt Bürgerentscheid für unzulässig

Mit Bescheid vom 21. Januar 2013 stellte die Stadt die Unzulässigkeit des beantragten Bürgerentscheids fest. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass das Bürgerbegehren hinsichtlich der Netze für Strom und Gas unzulässig sei, weil es nicht auf ein rechtmäßiges Ziel gerichtet sei. Die Forderung nach Übernahme der Konzession für das Strom- und Gasnetz durch die Stadt verstoße gegen das Energiewirtschaftsgesetz und das Kartellrecht. Hinsichtlich des Wassernetzes habe sich der Antrag erledigt, weil der Gemeinderat bereits den Grundsatzbeschluss gefasst habe, die Wasserversorgung selbst zu betreiben. Schließlich ergebe sich die Unzulässigkeit daraus, dass das beantragte Bürgerbegehren unzureichend begründet sei, weil es entscheidende tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte überhaupt nicht anspreche, die für die Begründung tragend seien.

Unterzeichner des Bürgerbegehrens beantragen Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Stadt

Am 14. März 2013 beantragten die Antragsteller beim Verwaltungsgericht Stuttgart den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem der Stadt untersagt werden soll, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens "Energie- und Wasserversorgung Stuttgart" Konzessionen an Dritte zu vergeben, die Betreiberschaft bzw. Betriebsführung auf Dritte zu übertragen und jegliche verbindliche Maßnahmen zu unterlassen, die den Zielen des Bürgerbegehrens "Energie- und Wasserversorgung Stuttgart" vom 14. Februar 2012 widersprechen. Sie machen im Wesentlichen geltend, dass § 46 des Energiewirtschaftsgesetzes nicht die Verpflichtung enthalte, bei der Konzessionsvergabe ein wettbewerbliches Verfahren durchzuführen. Und selbst wenn dies der Fall wäre, so wäre diese Regelung wegen Verfassungswidrigkeit und Europarechtswidrigkeit unwirksam. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie garantiere das Recht der Gemeinden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln.

Gericht verneint Erlass einer einstweiligen Anordnung

Das Gericht hat den Antrag der Antragsteller abgelehnt und die begehrte einstweilige Anordnung nicht erlassen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass die begehrte Anordnung nur dann in Betracht komme, wenn die Zulässigkeit des Bürgerentscheids bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit solcher Wahrscheinlichkeit bejaht werden könne, dass eine gegenteilige Entscheidung im Hauptsacheverfahren praktisch ausgeschlossen werden könne und der mit dem Hauptsacheverfahren verbundene Zeitablauf voraussichtlich eine Erledigung des Bürgerbegehrens zur Folge hätte. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage dürfte das Bürgerbegehren jedoch auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet und damit unzulässig sein.

Ausschreibungspflicht verstößt voraussichtlich nicht gegen verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstverwaltung

Für die Übernahme der Konzession und des Betriebs des Strom- und Gasnetzes seien die Regelungen des § 46 Abs. 2 bis 4 Energiewirtschaftsgesetz und kartellrechtliche Vorschriften zu beachten. § 46 Abs. 2 bis 4 Energiewirtschaftsgesetz eröffne bei der Vergabe der Netzkonzession die Möglichkeit des Marktzugangs für Energieversorgungsunternehmen. Dies bedeute, dass die Gemeinde - nach einem von ihr festzulegenden Auswahlverfahren - die Netzkonzession auszuschreiben und in einem zweiten Schritt eine Auswahlentscheidung über die Vergabe der Konzession zu treffen habe. Diese Ausschreibungspflicht, die sich aus § 46 Energiewirtschaftsgesetz und dem Kartellrecht ergebe, verstoße voraussichtlich auch nicht gegen die verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstverwaltung. Die Bestimmungen des Energiewirtschafts- und Kartellrechts würden lediglich eine Regelung über die Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung beinhalten, den Gemeinden jedoch nicht die Aufgabe der örtlichen Energieversorgung entziehen. Bei dieser Sach- und Rechtslage dürfte das Bürgerbegehren, soweit es die Übernahme der Konzessionen für das Strom- und Gasnetz betreffe, auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet sein. Käme ein Bürgerentscheid zustande, der die gestellte Frage im Sinne der Initiatoren des Bürgerbegehrens beantworten würde, hätte dies die Wirkung eines endgültigen Beschlusses des Gemeinderats. Ein im jetzigen Stadium gefasster Beschluss, mit dem die Stadt einschränkungslos verpflichtet würde, die Konzession und den Betrieb der Netze für Strom und Gas zu übernehmen, stünde mit § 46 Abs. 2 bis 4 EnWG und dem Kartellrecht nicht im Einklang. Denn damit würde eine unzulässige Vorabfestlegung getroffen, die den Wettbewerb um die Netze verschließen und eine spätere Konzessionsentscheidung, die eine Auswahl unter mehreren Varianten voraussetze, verhindern würde. Unter diesen Umständen komme der Erlass der beantragten Anordnungen nicht in Betracht. Offen bleiben könne, ob das Bürgerbegehren auch wegen Begründungsmängeln unzulässig sei.

Beschränkung des Bürgerentscheids auf Netze für Fernwärme und Wasser würde Fragestellung des Bürgerbegehrens in erheblicher Weise verändern

Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, beschränkt auf die Netze für Fernwärme und Wasser, sah das Gericht keinen Anlass. Insoweit führte es aus: Selbst wenn unterstellt werde, dass ein Bürgerbegehren bezüglich der Übernahme der Konzession und der Netze für Fernwärme und Wasser prinzipiell rechtlich zulässig wäre, folge daraus nicht, dass ein Bürgerentscheid mit dieser eingeschränkten Fragestellung ohne weiteres durchgeführt werden könnte. Da sich die Unterschrift der Unterstützer des Bürgerbegehrens "Energie- und Wasserversorgung Stuttgart" auf ein durch die Fragestellung genau umschriebenes Anliegen beziehe und der Wille der Unterzeichner nicht verfälscht werden dürfe, sei die Änderung der Fragestellung nur in Ausnahmefällen zulässig. Ein solcher liege hier nicht vor. Die Beschränkung des Bürgerentscheids auf die Netze für Fernwärme und Wasser verändere die Fragestellung des Bürgerbegehrens "Energie- und Wasserversorgung Stuttgart" in erheblicher Weise. Soweit es um die Übernahme des Netzes für die Wasserversorgung gehe, komme hinzu, dass der Gemeinderat der Stadt in seiner Sitzung am 17. Juni 2010 beschlossen habe, die Wasserversorgung spätestens ab 1. Januar 2014 selbst zu betreiben, so dass schon aus diesem Grunde ein darauf gerichtetes Bürgerbegehren wohl unzulässig wäre.

In den fünf weiteren anhängigen Eilverfahren in dieser Sache hat das Gericht im Wesentlichen gleichlautende Entscheidungen getroffen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 29.04.2013
Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart/ra-online

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