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Staatsanwaltschaft Mainz, Beschluss vom 04.10.2016
- 3113 Js 10220/16 -
Ermittlungsverfahren gegen Jan Böhmermann wegen Beleidigung eingestellt
Ernstlicher Angriff auf personalen und sozialen Geltungsanspruch des türkischen Staatspräsidenten nicht zu belegen
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen waren strafbare Handlungen des Jan Böhmermann nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen. Die Ermittlungen haben auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für strafbare Handlungen anderer an der Entstehung oder Ausstrahlung des Beitrages beteiligte Personen ergeben. Daher hat die Staatsanwaltschaft Mainz das Ermittlungsverfahren gegen den Moderator Jan Böhmermann wegen des Vorwurfs der Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt.
Im hier zu entscheidenden Fall war Gegenstand des Ermittlungsverfahrens ein am 31. März 2016 auf dem Kanal "ZDFneo" des Zweiten Deutschen Fernsehens ausgestrahlter Beitrag in der Sendung "Neo Magazin Royale". In diesem befasste sich der Beschuldigte unter anderem mit der Reaktion des türkischen Staatspräsidenten auf einen in dem Magazin "extra3" des Norddeutschen Rundfunks am 17. März 2016 ausgestrahlten Beitrag, wobei er auch ein so genanntes "Schmähgedicht" vorgetragen hat.
Strafantrag wegen Beleidigung
Der Staatspräsident der Republik Türkei hat wegen dieses Sachverhalts am 8. April 2016 Strafantrag wegen
Stellungnahme zum Tatvorwurf von Sendeanstalt und Böhmermann
Das Zweite Deutsche Fernsehen als betroffene Sendeanstalt hat am 14. April 2016 eine Stellungnahme zur Sach- und Rechtslage abgegeben und der Beschuldigte hat mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 1. September 2016 zu dem Tatvorwurf Stellung genommen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Einstellung des Verfahrens beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen:
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen wird sich der Tatnachweis eines Beleidigungsdeliktes nach §§ 103, 185 Strafgesetzbuch - insbesondere hinsichtlich der inneren Tatseite, also des erforderlichen Vorsatzes - nicht mit dem für eine strafgerichtliche Verurteilung erforderlichen Maß an Gewissheit führen lassen.
Erfüllung des Tatbestands des Beleidigungsdeliktes fraglich
Es ist bereits fraglich, ob der objektive Tatbestand eines Beleidigungsdeliktes nach §§ 103, 185 Strafgesetzbuch in rechtswidriger Weise erfüllt ist. Dies erfordert die Äußerung eines herabwürdigenden persönlichen Werturteils über einen Dritten oder eine entsprechende Tatsachenbehauptung. Insoweit müsste es um ein eigenes Unwerturteil oder ein solches handeln, das sich der Äußernde zu Eigen macht; gleiches würde für Tatsachenbehauptungen gelten.
Beitrag nur als Beispiel für Meinungsfreiheitsüberschreitung gedacht
Dagegen könnte bereits sprechen, dass der Beitrag vom 31. März 2016 als Beispiel für eine Überschreitung der
Strafbare Wirkung des Beleidigungsdeliktes zu prüfen
Im Rahmen der Prüfung, ob ein Beleidigungsdelikt objektiv in strafbarer Weise verwirklicht ist, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen, ob und inwieweit die Grundrechte aus Artikel 5 Abs. 1 und 3 Grundgesetz, also Meinungs- und
Unter den Schutz der
Abwägung zwischen Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch Äußerung und Einbuße der Meinungsfreiheit durch Verbot
Das Grundrecht auf
Bei Formalbeleidigungen oder Schmähungen keine Abwägung notwendig
Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende
Eigenschaft als Kunstwerk
Überdies dürfte der Schutzbereich der
Zweifel an Straftatbestandsverwirklichung nach Einbeziehung von verfassungsrechtlichen Prinzipien
Der in Rede stehende Beitrag dürfte als satirische Darbietung diesen Anforderungen genügen. Dabei ist es der Kunstgattung der
Vorsätzlich beleidigendes Handeln nicht nachweisbar
Letztlich kann dies jedoch offen bleiben, da dem Beschuldigten jedenfalls ein vorsätzlich beleidigendes Handeln nicht nachzuweisen ist. Der Vorsatz muss das Bewusstsein umfassen, dass eine Äußerung nach ihrem objektiven Sinn eine Missachtung einer Person darstellt. Dass es einem Täter um Kritik an tatsächlichen oder auch nur angeblichen Missständen geht, schließt - bedingten - Vorsatz nicht aus. Andererseits genügt nicht, dass ein Täter weiß oder damit rechnet, dass der Adressat oder Dritte eine Äußerung als ehrverletzend empfindet. Ein Täter muss vielmehr den (objektiv) beleidigenden Charakter der Äußerung als solchen wollen oder in Kauf nehmen.
Einlassung des Beschuldigten
Der Beschuldigte hat sich dahingehend eingelassen, es sei ihm an einer derart übertriebenen und von der konkreten Person abgelösten Darstellung gelegen gewesen, dass die fehlende Ernstlichkeit und das Fehlen eines ernst gemeinten Bezuges zur persönlichen Ehre der Person jedem Hörer unmittelbar erkennbar sein sollten und sofort klar werde, dass es sich um einen Witz oder Unsinn handele.
Übersteigerungen und Überspitzungen in Äußerungen für verständige Dritte erkennbar
Diese Einlassung wird durch die objektiv feststellbaren Umstände, nämlich den Inhalt des Stückes, seine Entstehung und die Art der Darbietung gestützt. Maßgebend insoweit ist, wie ein verständiger Dritter unter Beachtung der Begleitumstände und des Gesamtzusammenhangs die
Keine ernst gemeinte Herabwürdigung erkennbar
Bereits dies lässt eine ernst gemeinte
Vor diesem Hintergrund scheiden auch strafbare Handlungen sonstiger an der Schaffung und Sendung des Beitrages beteiligter Personen aus. Das
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 05.10.2016
Quelle: Staatsanwaltschaft Mainz/ ra-online
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Dokument-Nr. 23240
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