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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21.12.2004
1 BvR 2652/03 -

Nachweis von Cannabis-Konsum allein genügt nicht für Fahrverbot

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung wegen Führens eines Kraftfahrzeugs nach Cannabiskonsum

Die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Beschwerdeführers (Bf), der wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung von Cannabis zu einer Geldbuße und einem Fahrverbot verurteilt worden war, hatte Erfolg. Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts (AG) und Oberlandesgerichts (OLG) aufgehoben, da sie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) des Bf verletzen. Die Sache wurde an das AG zurückverwiesen.

16 Stunden nach der Einnahme von Cannabis fuhr der Bf mit einem Pkw. In einer anschließend entnommenen Blutprobe wurde Tetrahydrocannabinol (THC) in einer Konzentration von unter 0,5 ng/ml festgestellt. THC ist der psychoaktive Hauptwirkstoff von Cannabis. Das AG verurteilte den Bf nach § 24 a Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung desberauschenden Mittels Cannabis. Das OLG wies die Rechtsbeschwerde des Bf zurück. Mit seiner gegen die gerichtlichen Entscheidungen erhobenen Vb rügt der Bf vor allem die Verletzung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Nach § 24 a Abs. 2 Satz 1 StVG handelt ordnungswidrig, wer „unter der Wirkung“ eines der in der Anlage zu der Vorschrift genannten berauschenden Mittels wie Cannabis im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt nach Satz 2 vor, wenn im Blut eine in dieser Anlage genannte Substanz (bei Cannabis THC) nachgewiesen wird. Dabei ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die Wirkungs- und Nachweisdauer bei den einzelnen Mitteln übereinstimmen: Solange im Blut Substanzen eines der genannten Rauschmittel nachweisbar sind, könne angenommen werden, dass die Fahrtüchtigkeit des Kraftfahrzeugführers eingeschränkt und eine Sanktionierung nach dieser Vorschrift möglich ist.

Infolge des technischen Fortschritts hat sich inzwischen die Nachweisdauer für das Vorhandensein von THC wesentlich erhöht. Spuren der Substanz lassen sich nunmehr über mehrere Tage, unter Umständen sogar Wochen nachweisen. Für Cannabis trifft daher die Annahme des Gesetzgebers von der Identität der Wirkungs- und Nachweiszeit nicht mehr zu. Mit Rücksicht darauf kann nicht mehr jeder Nachweis von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers für eine Verurteilung nach § 24 a Abs. 2 StVG ausreichen. Die Vorschrift ist vielmehr verfassungskonform auszulegen; festgestellt werden muss eine THC-Konzentration, die es als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. Dies wird in der Wissenschaft zum Teil erst bei Konzentrationen von über 1,0 ng/ml angenommen. Andere gehen davon aus, dass schon - aber auch erst - ab einem Grenzwert von 1,0 ng/ml eine Wirkung im Sinne des § 24 a StVG nicht mehr auszuschließen sei. Auch das Bayerische Oberste Landesgericht und im Fahrerlaubnisrecht die Verwaltungsgerichte legen ihrer Rechtsprechung diesen Grenzwert zu Grunde.

Vor diesem Hintergrund sind die angegriffenen Entscheidungen mit dem Grundrecht des Bf aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Sie stellen bei Auslegung und Anwendung des § 24 a Abs. 2 StVG allein auf die festgestellte THC-Konzentration von unter 0,5 ng/ml ab, ohne zu prüfen, ob die Annahme des Gesetzgebers von der Identität der Wirkungs- und Nachweiszeit für das hier konsumierte Rauschmittel noch zutrifft. Nicht erwogen wird deshalb, dass die Wirkungsdauer beim Bf zum Zeitpunkt der fraglichen Fahrt 16 Stunden nach der Einnahme von Cannabis nicht mehr fortbestanden haben könnte.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 13.01.2005
Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 4/2005 vom 13. Januar 2005

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