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Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 17.07.1996
8 U 696/96 -

Neigungswinkel des Hausdachs von über 50 Grad: Hotel haftet für Schäden durch herabstürzende Dachlawinen

Bei besonderen Umständen durch die Beschaffenheit des Gebäudes besteht gesonderte Verkehrssicherungspflicht der Eigentümer

Hauseigentümer, deren Hausdach einen Neigungswinkel von über 50 Grad hat, müssen gesonderte Fanggitter anbringen, die das Herabstürzen von Dachlawinen verhindern. Wird beispielsweise ein Auto durch eine herabstürzende Dachlawine beschädigt, haftet der Hauseigentümer wegen Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht. Dies entschied das Oberlandesgericht Dresden.

Im zugrunde liegenden Fall parkte ein Autofahrer seinen Pkw in einer Einbahnstraße vor einem Hotel in Freiberg. Entsprechend der historischen Bautradition der Stadt hat das Dach des Hotels einen Neigungswinkel von über 50 Grad. Über die gesamte Dachlänge verteilt befinden sich acht Schleppgauben mit jeweils einer Breite von einem bzw. zwei Dachfenstern. Unterhalb der Schleppgauben befindet sich in einem Abstand von ca. 60 cm von den Dachfenstern entfernt ein ca. 25 cm hohes durchgängiges Schneefanggitter. Auf den Schleppgauben sind keine Schneefanggitter angebracht.

Herabstürzende Dachlawine beschädigt geparkten Pkw

An dem Vormittag, an dem der spätere Kläger sein Auto vor dem Hotel parkte, rutschten Schneemassen über die Schleppgauben und fielen auf die gesamte Länge des geparkten Pkw. Dadurch wurde die Motorhaube verbeult, die Frontscheibe eingedrückt, das Dach und das Schiebedachfenster verbeult, die Heckscheibe eingedrückt und der Kofferraumdeckel beschädigt. Es entstand ein Gesamtschaden in Höhe von 12.450,77 DM.

OLG hält Hotel für schadensersatzpflichtig

Die Klage des Autobesitzers auf Schadensersatz durch das Hotel blieb vor dem Landgericht Chemnitz zunächst erfolglos. Das Oberlandesgericht Dresden sah die zulässige Berufung jedoch für begründet an und hielt das Hotel gemäß § 823 Abs. 1 BGB durchaus für schadensersatzpflichtig.

Hauseigentümer muss bei Vorliegen besonderer Umstände Maßnahmen zur Verhinderung von Schneelawinen ergreifen

Nach Auffassung der Richter hatte das Landgericht zurecht auch eine Verkehrssicherungspflicht der Eigentümer des Hotels bejaht. Eine Verkehrssicherungspflicht treffe jeden, der Gefahrenquellen schaffe, durch die Dritte geschädigt werden könnten. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht hänge dabei einerseits von den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs ab und andererseits von der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für denjenigen, der den Verkehr eröffnete. Somit treffe den Hauseigentümer nicht grundsätzlich eine Pflicht, Dritte vor Dachlawinen durch spezielle Maßnahmen zu schützen. Sofern jedoch besondere Umstände vorlägen, müsse der Hauseigentümer je nach Notwendigkeit einerseits und Zumutbarkeit andererseits Maßnahmen zur Verhinderung der Schneelawinen ergreifen.

Besondere Umstände lagen zweifelsfrei vor

Aufgrund der allgemeinen Schneelage des Ortes, der allgemeinen Beschaffenheit des Gebäudes, der allgemeinen ortsüblichen Sicherheitsvorkehrungen und der konkreten Schneeverhältnisse und der Witterungslage seien solche besonderen Umstände hier zweifelsfrei vorhanden.

Besondere Dachkonstruktion hätte Anbringung von sichernden Schneefanggitter auf Schleppgauben erfordert

Die Eigentümer des Hotels seien ihrer Verkehrssicherungspflicht somit nicht ausreichend nachgekommen. Zwar reiche nach der allgemeinen Lebenserfahrung das auf der ganzen Breite des Daches angebrachte Schneefanggitter von ca. 25 cm Höhe unterhalb der Gauben aus, um das Abrutschen von Dachlawinen in der Regel zu verhindern. Aufgrund der Dachneigung, der Höhe des Daches und der Konstruktion der Schleppgauben rutscht der Schnee jedoch oberhalb und über die Schneefanggitter auf die vor dem Hotel verlaufende öffentliche Straße, wodurch im vorliegenden Fall ein ausreichender Schutz des Verkehrs durch dieses Schneefanggitter nicht wie erforderlich erreicht wurde. Das Hotel sei daher dazu verpflichtet gewesen aufgrund dieser besonderen Dachkonstruktion, auch auf den Schleppgauben sichernde Schneefanggitter anzubringen.

Verhalten der Hoteleigentümer war fahrlässig

Die Hoteleigentümer hätten auch schon allein deswegen fahrlässig gem. § 276 BGB gehandelt, da sie aus einem ähnlichen Unfall im Vorjahr bereits von dieser Konstruktionsschwäche ihres Daches wussten, urteilte das Oberlandesgericht. Die Beklagten hätten daher gemäß §§ 823 Abs. 1, 840 BGB wegen schuldhafter Verletzung der Verkehrssicherungspflicht den unstreitig entstandenen Schaden des Klägers zu ersetzen.

Autobesitzer musste nicht mit Gefahr herabstürzenden Schnees rechnen

Im Übrigen könne dem Autobesitzer kein Mitverschulden an dem Unfall zugerechnet werden. Unstreitig sei von der Stelle, an der das Auto geparkt wurde, nur das Schneefanggitter auf dem Dach des Hotels zu sehen. Nicht erkennbar sei, dass auf den Dachgauben keine Schneefanggitter angebracht seien. Infolgedessen durfte der Kläger davon ausgehen, dass er ausreichend vor herabstürzendem Schnee vom Dach des Hotels gesichert werde. Nach Ansicht der Richter sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, auf die gegenüberliegende Straßenseite hinüberzugehen und die Schneelage auf dem Dach des Hotels zu begutachten. Da er von seinem Standort das in der Regel ausreichende Schneefanggitter sehen konnte, musste er nicht damit rechnen, dass aufgrund einer besonderen Dachkonstruktion (Schleppgauben) trotzdem die Gefahr herabstürzenden Schnees bestehen könnte.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.12.2010
Quelle: ra-online (ac)

Vorinstanz:
  • Landgericht Chemnitz, Urteil vom 26.02.1996
    [Aktenzeichen: 1 O 5967/95]
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Urteile zu den Schlagwörtern: Auto | PKW | Kfz | Kraftfahrzeug | Wagen | Beschädigung | Dachlawinen | Hotel | Lawine | Lawinengefahr | Schnee | Schneefanggitter | Schutzgitter
Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR)
Jahrgang: 1997, Seite: 492
DAR 1997, 492
 | Zeitschrift: recht und schaden (r+s)
Jahrgang: 1997, Seite: 369
r+s 1997, 369
 | Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM)
Jahrgang: 1997, Seite: 377
WuM 1997, 377

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