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Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 20.01.2020
- 2 Ss 40/19 -
Vom Ordnungspolizeibeamten blanko unterschriebenes Messprotokoll für gesetzeswidrige Verkehrsmessungen durch "privaten Dienstleister" stellt strafbare Falschbeurkundung dar
Verurteilung zur Falschbeurkundung im Amt bei Geschwindigkeitsmessungen bestätigt
Überlässt ein Hoheitsträger einem zur Geschwindigkeitsmessung eingesetzten "privaten Dienstleister" ein blanko unterzeichnetes Messprotokoll, welches vervielfältigt und mit konkreten Datensätzen versehen zur Grundlage von Verwarngeldern wird, stellt dies eine Falschbeurkundung im Amt dar. Die Messprotokolle erfüllen die Eigenschaft einer öffentlichen Urkunde. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hervor.
Im zugrunde liegenden Fall war der Angeklagte S. bei der Stadt K. der für die Verkehrsüberwachung zuständige Sachgebietsleiter des Ordnungsamts. Der Angeklagte K. ist mit seiner Firma selbständiger "privater Dienstleister" im Bereich der Geschwindigkeitsmessungen. Bis zur ersten Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zur Unzulässigkeit des Einsatzes "privater Dienstleister" im Bereich der Verkehrsüberwachung (Frühjahr 2017) hatte die Stadt K. durch den Angeklagten K.
Verurteilung der Angeklagten wegen Falschbeurkundung und Beihilfe
Der Angeklagte S. wurde durch Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 7. Juni 2016 wegen
Die hiergegen eingelegten Revisionen der Angeklagten verwarf das Oberlandesgericht Frankfurt am Main als unbegründet. Die im Rahmen von Geschwindigkeitskontrollen zu stellenden Messprotokolle stellten öffentliche Urkunden im Sinne des § 348 StGB dar. Sie dienten dazu, Beweiskraft für und gegen jedermann zu erbringen. Die Verkehrsüberwachung und Sanktionierung bei Verstößen sei hoheitliche Kernaufgabe. Die Messung sei systematisch nur bedingt rekonstruierbar. Um den Nachweis führen zu können, sei daher ein ordnungsgemäß von einem Hoheitsträger im Rahmen seiner Zuständigkeit errichtetes, inhaltlich zutreffendes Messprotokoll eine maßgebliche Voraussetzung, gerade bei Massenverfahren, so das Gericht. Dem Messprotokoll komme damit besondere Beweiskraft im Sinne eines öffentlichen Glaubens zu.
Der Angeklagte K. habe in einer Vielzahl von Fällen als "privater Dienstleister" gesetzeswidrig Verkehrsmessungen vorgenommen, (vor)ausgewertet und Messprotokolle erstellt, die in einer Vielzahl von Bußgeld- und Verwarngeldverfahren als Beweismittel Verwendung gefunden hätten. Dies sei im bewussten, kollusiven Zusammenwirken mit dem Angeklagten S. als zuständigem Ordnungspolizisten erfolgt. Der Angeklagte S. habe zur Verschleierung dem Angeklagten K. eine von ihm unterzeichnete Kopie eines Blankomessprotokolls zur Verfügung gestellt. Da in diesen Messprotokollen der Angeklagte S. als Messbeamter aufgeführt war, sollte auf diese Weise suggeriert werden, dass die Messungen vom Hoheitsträger durchgeführt wurden.
Der Angeklagte S. müsse sich die Angaben des Angeklagten K., die dieser im Namen des S. abgegeben habe, auch zurechnen lassen. Der Sinn der Absprache habe gerade daran gelegen, dass K. die Arbeit des S. durchführt und beide gewollt darüber täuschen, dass S. die Messung durchgeführt habe.
Die darin zum Ausdruck kommende hohe kriminelle Energie hätte bei einem "normalen" Urkundsdelikt zur Straflosigkeit geführt. Eine "normale"
Erläuterungen:
§ 348 StGB Falschbeurkundung im Amt
(1) Ein Amtsträger, der, zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugt, innerhalb seiner Zuständigkeit eine rechtlich erhebliche Tatsache falsch beurkundet oder in öffentliche Register, Bücher oder Dateien falsch einträgt oder eingibt, wird mit
(2) Der Versuch ist strafbar.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 21.01.2020
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm/kg)
- Landgericht Kassel, Urteil vom 02.11.2018
[Aktenzeichen: 9 Ns - 5633 Js]
- Geschwindigkeitsmessung und Auswertung der Messdaten durch privaten Dienstleister ist unzulässig
(Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 26.04.2017
[Aktenzeichen: 2 Ss-OWi 295/17]) - Verkehrsüberwachung durch private Dienstleister unzulässig
(Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 06.11.2019
[Aktenzeichen: 2 Ss-OWi 942/19]) - Überwachung des ruhenden Verkehrs durch "private Dienstleister" gesetzeswidrig
(Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 03.01.2020
[Aktenzeichen: 2 Ss-Owi 963/18])
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Dokument-Nr. 28327
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