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Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 07.06.2018
13 U 194/17 -

Reiterin hat nach Sturz vom Kamel Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz

Erforderliche Sorgfalt bei Beaufsichtigung der Kamele durch Inhaber der Kamelfarm nicht erbracht

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat entschieden, dass der Inhaber einer Kamelfarm einer Reiterin nach einem Unfall mit einem Kamel Schmerzensgeld in Höhe von 70.000 Euro sowie Schadensersatz u.a. für Verdienstausfall zahlen muss.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin unternahm mit ihrer Mutter bei der beklagten Kamelfarm einen einstündigen Kamelausritt im Landkreis Sigmaringen. Dabei lief der Inhaber des Kamelhofs zwischen den beiden Kamelen und führte diese an einer Kette. Die Kamele wurden angehalten, als die Gruppe einige Hunde mit ihren Haltern passierte. Beim Weiterlaufen erschraken die Kamele aufgrund des einsetzenden Hundegebells, liefen nach vorne und vollführten an der Führungsleine eine abrupte Linkswendung. Dadurch stürzte die seinerzeit 27- jährige Klägerin und fiel aus einer Sitzhöhe von 1,87 m kopfüber zu Boden. Sie erlitt u.a. schwere Kopfverletzungen sowie erhebliche Einschränkungen in ihrer Erwerbstätigkeit.

Kamelführer kann sich nicht auf Privileg des Haustierhalters berufen

Das Oberlandesgericht Stuttgart stützt seine Entscheidung auf die sogenannte Tierhalterhalterhaftung gemäß § 833 Satz 1 BGB, wobei eine sogenannte Exkulpationsmöglichkeit nach § 833 Satz 2 BGB nicht eröffnet sei, da es sich bei dem Kamel nicht - jedenfalls nicht in Deutschland, wo die Kamelhaltung sehr selten sei - um ein Haus- und Nutztier handle. Somit kann der Kamelführer sich nicht auf das Privileg des Haustierhalters berufen, um sich durch Nachweis pflichtgemäßen Verhaltens von der Haftung zu befreien. Daneben könne der Beklagte sich aber auch deshalb nicht entlasten, da er die bei der Beaufsichtigung der Kamele erforderliche Sorgfalt nicht erbracht hatte. Vielmehr sei der Kamelführer gleich einem Fahrzeuglenker für die Sicherheit der Reiterin, die das Kamel nicht selbst lenkte, verantwortlich und habe nicht allein beide Kamele mit Führkette am Strick führen dürfen. So habe er nicht so gut auf die beiden Tiere einwirken und die Reiterin nicht vor Gefahren durch die Schreckreaktionen der Kamele schützen können.

OLG setzt Schmerzensgeld auf 70.000 Euro und Schadensersatz auf 21.000 Euro fest

Ein Mitverschulden der Klägerin etwa wegen des Nichttragens eines Helmes, von dem der Beklagte quasi abgeraten und sich dadurch insbesondere sorgfaltswidrig verhalten hatte, schloss das Oberlandesgericht aus. Das Berufungsgericht erhöhte daher auf die Anschlussberufung der Klägerin hin das erstinstanzlich zugesprochene Schmerzensgeld von 50.000 Euro auf 70.000 Euro und bestätigte im Wesentlichen den der verletzten Ärztin zugesprochenen Schadensersatz für den Verdienstausfall für die Monate nach dem Unfall in Höhe von rund 21.000 Euro.

Relevante Norm:

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 833 Haftung des Tierhalters

1 Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 2 Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 12.06.2018
Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart/ra-online

Vorinstanz:
  • Landgericht Hechingen, Urteil vom 23.11.2017
    [Aktenzeichen: 2 O 193/13]
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Urteile zu den Schlagwörtern: Kamel | Schadensersatz | Schmerzensgeld | Sturz | stürzen | Tierhalterhaftung | Verdienstausfall

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Kommentare (3)

 
 
DAGMAR STARZ schrieb am 19.06.2018

Ich glaube eher,man muss nur "Ärztin" oder "Arzt" sein, um ALLE RECHTE der Welt zugesprochen zu bekommen!..

Ich wurde vor Jahren bei einer H TEP verpfuscht, meine vorher aufgeschlitzte Hüftmuskulatur nicht wieder fachgerecht re-adaptiert, so dass ein schleichender Muskeschwund eintrat und fortschritt, ich vom 1. Tage an Schmerzen und Gehunfähigkeit - seit der OP - angab, man trotzdem NICHTS unternahm. Mich statt dessen zum Pillen schlucken "therapierte" - und nach Jahren des Prozessierens, selbst bis vor dem BGH, mich ALLE "Richter" und Gerichte VERLIEREN liessen. Ic bin halt nur ein unbedeutender Patient, und KEIN Arzt, der, wenn er als solcher selbst auch klagt, AUCH da eine unzerstörbare Lobby hinter sich versammelt hat, dem solche horrenden, m. E. übertriebenen Schmerzensgeldkosten regelrecht nachgeworfen werden.. Ich bin nur noch entsetzt!

Rechtsanwaltservice schrieb am 18.06.2018

Diese Entscheidung ist dogmatisch falsch, denn natürlich ist das Kamel in diesem Fall ein Nutztier. Hier hat das Gericht - anstatt besser die Norm für rechtswidrig zu erklären - herumrabuliert um dadurch zum richtigen Ergebnis zu kommen!

Rechtsanwaltservice schrieb am 18.06.2018

Diese Exculpation für Nutztiere muß abgeschafft werden! Das ist vollkommen unzeitgemäß und sachlich nicht zu begründen. Der Nutztierhalter kann (bzw. muß sogar) sich eine entsprechende Versicherung zulegen.

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