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Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.02.2016
- X ZR 97/14, X ZR 98/14 und X ZR 5/15 -
Bei Flugbuchungen darf vollständige Bezahlung des Flugpreises bereits unmittelbar bei Abschluss des Luftbeförderungsvertrags verlangt werden
Fälligkeit des Flugpreises unabhängig vom Zeitpunkt der Buchung stellt keine unangemessene Benachteiligung der Fluggäste dar
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass bei Flugbuchungen die vollständige Bezahlung des Flugpreises bereits unmittelbar bei Abschluss des Luftbeförderungsvertrags - unabhängig von der Höhe des Flugpreises oder dem zeitlichen Abstand zwischen Buchung und Flugantritt - verlangt werden darf.
Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens, ein Verbraucherverband, begehrt von den Beklagten gemäß § 1 UKlaG*, die Verwendung entsprechender Vorauszahlungsklauseln in ihren Beförderungsbedingungen zu unterlassen. Die Klagen richten sich gegen zwei inländische Luftfahrtgesellschaften (X ZR 97/14 und X ZR 98/14) sowie gegen den Betreiber einer Internetplattform, auf der dieser Flugbeförderungsdienstleistungen anbietet, wobei die Flüge von einer konzernangehörigen oder von anderen Luftfahrtgesellschaften durchgeführt werden (X ZR 5/15).
Vorinstanzen im Hinblick auf mögliche Benachteiligung der Verbraucher bei Verwendung einer Vorleistungsklausel uneinig
Die Berufungsgerichte haben übereinstimmend die angegriffenen Vorauszahlungsklauseln einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB** unterworfen. Bei der Abwägung der berechtigten Interessen der Unternehmen an der Beibehaltung der bisherigen Vorauszahlungspraxis mit den beeinträchtigten Interessen der Verbraucher sind sie jedoch zu einer unterschiedlichen Beurteilung der Frage gelangt, ob der Verbraucher bei Verwendung einer Vorleistungsklausel entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird.
Mit den von den Berufungsgerichten zugelassenen Revisionen haben die in den Verfahren jeweils unterlegenen Parteien ihre Begehren auf Unterlassung bzw. Klageabweisung weiterverfolgt.
BGH verneint unangemessene Benachteiligung der Fluggäste
Der Bundesgerichtshof entschied, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen, nach denen der
Vorauszahlungsklauseln kann nicht als unvereinbar mit gesetzlichem Gerechtigkeitsmodell angesehen werden
Die Verpflichtung des Fluggasts, das Beförderungsentgelt bei Vertragsschluss zu entrichten, widerspricht nicht wesentlichen Grundgedanken des Personen(Luft)beförderungsrechts (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB**). Auch wenn der Personenbeförderungsvertrag grundsätzlich als Werkvertrag zu qualifizieren ist, können die werkvertraglichen Regelungen das Leitbild des Personenbeförderungsvertrags allenfalls mit erheblichen Einschränkungen bestimmen. Insbesondere wird der Personenbeförderungsvertrag nicht derart von den Regelungen zur Fälligkeit der werkvertraglichen Vergütung nach §§ 641***, 646 BGB**** und zur Einrede des nichterfüllten Vertrags nach § 320 BGB***** geprägt, dass Vorauszahlungsklauseln als unvereinbar mit dem gesetzlichen Gerechtigkeitsmodell anzusehen wären. Denn bei der Personenbeförderung besteht kein Sicherungsrecht für den Vergütungsanspruch des Unternehmers, der einerseits ungesichert der Gefahr von Zahlungsausfällen in erheblicher Größenordnung ausgesetzt, aber andererseits kraft Gesetzes zur Beförderung verpflichtet wäre. Eine Vertragsgestaltung, bei der das Beförderungsentgelt erst bei Ankunft am Zielort zur Zahlung fällig würde, wäre beim Massengeschäft der Fluggastbeförderung im Linienverkehr weder interessengerecht noch praktikabel.
Nachteile für Fluggäste durch Sofortzahlung nicht von schwerwiegender Bedeutung
Die gebotene Interessenabwägung erfordert es auch nicht, eine Vorauszahlung auf eine Anzahlung bei Vertragsschluss (in Höhe von regelmäßig maximal 20 % des Flugpreises) und eine (höchstens 30 Tage vor Flugantritt fällige) Restzahlung zu beschränken, wie dies der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Reisevertragsrecht entspräche (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil v. 09.12.2014 - X ZR 85/12 u.a. ). Die mit der Pflicht zur sofortigen Vorauszahlung in voller Höhe einhergehenden Nachteile des Fluggasts sind nicht von solchem Gewicht, dass eine Umstellung der weltweit üblichen und einem einheitlichen - von der International Air Transport Association (IATA) empfohlenen - Standard folgenden Abrechnungspraxis der
Leistungsverweigerungsrecht des Fluggastes vor Flugantritt regelmäßig ohne Bedeutung
Zwar verliert der
Preisvorteil durch Frühbuchung gleicht etwaigen Zinsnachteil des Fluggasts aus
Das vom
Erläuterungen
* - § 1 UKlaG
Wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam sind, verwendet oder für den rechtsgeschäftlichen Verkehr empfiehlt, kann auf Unterlassung und im Fall des Empfehlens auch auf Widerruf in Anspruch genommen werden.
** - § 307 BGB - Inhaltskontrolle
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
(2) Eine unangemessene
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist […].
*** - § 641 BGB - Fälligkeit der Vergütung
(1) 1Die Vergütung ist bei der Abnahme des Werkes zu entrichten.
**** - § 646 BGB - Vollendung statt Abnahme
Ist nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen, so tritt in den Fällen des § […] 641 […] an die Stelle der Abnahme die Vollendung des Werkes.
***** - § 320 BGB - Einrede des nicht erfüllten Vertrags
(1) 1Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 17.02.2016
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
- Landgericht Köln, Urteil vom 08.01.2014
[Aktenzeichen: 31 O 264/13] - Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 05.09.2014
[Aktenzeichen: 6 U 23/14]
- Vorauszahlungspflicht des Fluggastes stellt unangemessene Benachteiligung dar
(Landgericht Hannover, Urteil vom 21.01.2014
[Aktenzeichen: 18 O 148/13]) - Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 18.12.2014
[Aktenzeichen: 13 U 19/14]
Jahrgang: 2016, Seite: 186 RRa 2016, 186
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Dokument-Nr. 22238
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