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Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 22.02.2011
- S 25 U 406/10 -
Amokfahrt in Blumenstand ist für Opfer als Arbeitsunfall anzuerkennen
Motiv des Angreifers ist entscheidendes Kriterium bei Einschätzung eines Angriffs als möglichen Arbeitsunfall
Bleibt es ungewiss, ob eine Gewalttat am Arbeitsplatz einen rein persönlichen Hintergrund hatte oder im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit des Opfers stand, spricht die Vermutung für einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Im Fall einer Berliner Blumenhändlerin, die lebensgefährliche Verletzung durch die Amokfahrt ihres Ex-Mannes in ihren Blumenstand erlitt, ist die Tat als Arbeitsunfall zu bewerten. Dies entschied das Sozialgericht Berlin.
Die in Neukölln wohnende Klägerin des zugrunde liegenden Falls war Eigentümerin eines Blumenstandes. Während die damals 45 jährige Frau am 13. November 2009 vor dem Klinikum Neukölln Blumen verkaufte, raste ihr ehemaliger Ehemann mit einem gemieteten Kleintransporter in ihren Stand. Die Klägerin wurde lebensgefährlich verletzt, erlitt insbesondere vielfache Knochenbrüche. Wenige Stunden zuvor hatte der Täter bereits versucht, auch seine aktuelle Partnerin in einer Laubenkolonie zu erstechen. Nach seiner Verhaftung brachte sich der Täter im Untersuchungsgefängnis um. Erst Anfang Februar 2011 konnte die Klägerin ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Die beklagte
Verletzungen am Arbeitsplatz stehen grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung
Das Sozialgericht Berlin entschied jedoch zugunsten der Klägerin aus. Das Gericht begründete die Entscheidung in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wie folgt: Wer am Arbeitsplatz verletzt wird, steht grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen
Neid auf beruflichen Erfolg der Frau als mögliches berufsbezogenes Motiv des Täters vorhanden
Im vorliegenden Fall – so das Gericht – gibt es sowohl Anhaltspunkte für eine Beziehungstat als auch für ein berufsbezogenes Motiv des Täters. Es ist denkbar, dass der Täter, der früher selbst einen Blumenstand betrieben hatte, aus Neid auf den beruflichen Erfolg der Klägerin gehandelt hat. Möglicherweise kam es ihm besonders darauf an, zusammen mit dem Blumenstand die wirtschaftliche Existenz der Klägerin zu zerstören. Hierfür spricht unter anderem, dass aufgrund der Rundumverglasung des Blumenstandes mit Plexiglas von außen gar nicht genau erkennbar gewesen war, dass sich die Klägerin im Innern des Standes aufgehalten hatte.
Täter machte keinen Aussagen mehr zu Tathintergrund
Da der Täter sich während der Untersuchungshaft das Leben genommen hatte, schied seine Befragung aus. Vor der Polizei hatte er zu seinen Motiven geschwiegen. Auch der vom Gericht als Zeuge gehörte Lebensgefährte der Klägerin machte zum Tathintergrund keine Aussagen.
Konkreter Leistungsanspruch aufgrund der Anerkennung eines Arbeitsunfalls muss in gesondertem Verfahren geklärt werden
Die Frage, welche konkreten Leistungen die Klägerin aufgrund der Anerkennung eines Arbeitsunfalls erhalten kann, war nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, sondern muss in einem weiteren (Verwaltungs-)Verfahren geklärt werden. In Betracht kommen insbesondere Verletztengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit, Verletztenrente bei fortdauernder Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 %, Übernahme der Kosten für erforderliche Heilbehandlung, inklusive Reha-Maßnahmen.
Zu den Rechtsvorschriften:
Entscheidungserhebliche Vorschriften waren §§ 3 Absatz 1 Nr. 1, 8 Absatz 1 Satz 1 SGB VII. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII lautet:
„Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.“
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 25.02.2011
Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online
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Dokument-Nr. 11201
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