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Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 16.12.2014
- 2 BvE 2/14 -
Antrag der NPD gegen die Bundesfamilienministerin wegen negativer Äußerungen in einem Zeitungsinterview erfolglos
Von der NPD angegriffene Äußerung ist politischem Meinungskampf zuzuordnen und unterliegt daher nicht dem Neutralitätsgebot
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Organklage der NPD gegen die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wegen einer Äußerung in einem Zeitungsinterview vor der Landtagswahl 2014 in Thüringen zurückgewiesen. Zwar sind die Mitglieder der Bundesregierung bei Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktion zu strikter Neutralität gegenüber den politischen Parteien verpflichtet. Das Neutralitätsgebot gilt jedoch nur, soweit die Äußerung eines Mitglieds der Bundesregierung unter spezifischer Inanspruchnahme der Autorität seines Amtes oder der damit verbundenen Ressourcen erfolgt. Im konkreten Fall ist ein solcher Bezug weder den äußeren Umständen noch dem Interview selbst zu entnehmen. Daher ist die von der NPD angegriffene Äußerung dem politischen Meinungskampf zuzuordnen, der nicht dem Neutralitätsgebot unterliegt.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Bundesfamilienministerin (Antragsgegnerin) nahm am 23. Juni 2014 in Weimar an der Verleihung des Thüringer Demokratiepreises teil. Daneben gab sie an diesem Tag ein Zeitungsinterview, das am 25. Juni 2014 in der Thüringischen Landeszeitung erschien. Auf die Frage, wie im Falle eines Einzugs der Antragstellerin in den Landtag mit deren Anträgen im Parlament oder auf Kommunalebene umzugehen sei, antwortete die Antragsgegnerin u. a.: "Aber ich werde im Thüringer Wahlkampf mithelfen, alles dafür zu tun, dass es erst gar nicht so weit kommt bei der Wahl im September. Ziel Nummer 1 muss sein, dass die
Recht auf Wahrung der Chancengleichheit politischer Parteien nicht verletzt
Das Bundesverfassungsgericht führte in seiner Entscheidung aus, dass die von der Antragstellerin angegriffene Äußerung der Antragsgegnerin die Antragstellerin nicht in ihrem Recht auf Wahrung der
Staatsorgane dürfen nicht parteiergreifend zugunsten oder zulasten einer politischen Partei in den Wahlkampf einwirken
Das Recht politischer Parteien, gleichberechtigt am Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes teilzunehmen, wird verletzt, wenn Staatsorgane als solche parteiergreifend zugunsten oder zulasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern in den Wahlkampf einwirken. Eine solche Einwirkung verstößt gegen das Gebot der Neutralität des Staates im Wahlkampf und verletzt die Integrität der Willensbildung des Volkes durch Wahlen und Abstimmungen.
Maßstäbe für Äußerungen des Bundespräsidenten nicht auf Mitglieder der Bundesregierung übertragbar
Die diesbezüglichen Maßstäbe für
Äußerungen von Mitgliedern der Bundesregierung sind eigenständig zu beurteilen
Öffentliche
Bundesregierung sind als "Schmähkritik" zu qualifizierende Äußerungen untersagt
Bei der Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben ist die
Bundesregierung hat jede auf die Willensbildung des Volkes einwirkenden und parteiergreifenden Maßnahmen zu unterlassen
Da das Regierungsprogramm die Vorstellungen der sie tragenden Parteien widerspiegelt und das Handeln der Regierung mit diesen Parteien verbunden wird, fließt die Bewertung dieses Handelns in die Wahlentscheidung ein und wirkt sich auf die Wahlchancen der Parteien im politischen Wettbewerb aus. Dies ist Teil des politischen Prozesses einer freiheitlichen Demokratie wie sie das Grundgesetz versteht. Sich daraus ergebende Ungleichheiten für die Teilnehmer des politischen Wettbewerbs sind hinzunehmen. Jede über das bloße Regierungshandeln hinausgehende Maßnahme, die auf die Willensbildung des Volkes einwirkt und in parteiergreifender Weise auf den Wettbewerb zwischen den politischen Parteien Einfluss nimmt, hat die
Inhaber eines Ministeramtes darf außerhalb seiner amtlichen Funktionen am politischen Meinungskampf teilnehmen und in Wahlkampf eingreifen
Für das einzelne Mitglied der
Inhaber eines Regierungsamtes wird immer in Doppelrolle als Bundesminister und Parteipolitiker wahrgenommen
Soweit der Inhaber eines Regierungsamtes am politischen Meinungskampf teilnimmt, muss aber sichergestellt sein, dass ein Rückgriff auf die mit dem Regierungsamt verbundenen Mittel und Möglichkeiten unterbleibt. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass beim Handeln des Inhabers eines Ministeramtes eine strikte Trennung der Sphären des „Bundesministers“, des „Parteipolitikers“ und der politisch handelnden „Privatperson“ nicht möglich ist. Auch aus Sicht der Bürger wird der Inhaber eines Regierungsamtes regelmäßig in seiner Doppelrolle als
Äußerung eines Mitglieds der Bundesregierung sind nach den Umständen des Einzelfalls zu bewerten
Ob die Äußerung eines Mitglieds der
Bei Talkrunden und Diskussionsforen kann Inhaber eines Regierungsamtes sowohl als Regierungsmitglied, Parteipolitiker oder Privatperson angesprochen sein
Veranstaltungen des allgemeinen politischen Diskurses (Talkrunden, Diskussionsforen, Interviews) bedürfen differenzierter Betrachtung. Der Inhaber eines Regierungsamtes kann sowohl als Regierungsmitglied als auch als Parteipolitiker oder Privatperson angesprochen sein, im Rahmen derselben Veranstaltung bei einer Mehrzahl von Aussagen auch in unterschiedlicher Weise. Der Inhaber eines Regierungsamtes ist nicht verpflichtet, sich auf Aussagen zur Regierungstätigkeit zu beschränken, da auch dies mit dem Recht politischer Parteien auf
Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit im vorliegenden Fall nicht verletzt
Die Geltung und Beachtung des Neutralitätsgebots unterliegen bei der
Beanstandete Äußerung wurden nicht unter Inanspruchnahme staatlicher Autorität oder Ressourcen des Amtes gemacht
Den äußeren Umständen lässt sich nicht entnehmen, dass die Antragsgegnerin die beanstandete Äußerung unter Inanspruchnahme staatlicher Autorität oder Ressourcen ihres Amtes gemacht hätte. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus der Tatsache, dass die Antragsgegnerin in Wahrnehmung ihres Amtes als Bundesministerin an der Eröffnung der Tagung teilgenommen hat. Die Eröffnung der Tagung und das Interview stellen zwei unterschiedliche Sachverhalte dar, die getrennt voneinander zu beurteilen sind. Auch die übrigen äußeren Umstände führen zu keinem anderen Ergebnis. Weder hat die Antragsgegnerin bei der Führung des Interviews auf die Verwendung von Staatssymbolen oder Hoheitszeichen zurückgegriffen noch ist ein äußerungsbezogener Einsatz von Sach- oder Finanzmitteln feststellbar, die der Antragsgegnerin aufgrund ihres Regierungsamtes zur Verfügung stehen.
Antragsgegnerin bezieht bei Aussagen in den Medien in keiner Weise auf Amt in der Bundesregierung und damit einhergehende Autorität
Dem Interview selbst kann eine spezifische Inanspruchnahme der Autorität des Regierungsamtes ebenfalls nicht entnommen werden. Das Interview hat zwar weitgehend die Regierungstätigkeit der Antragsgegnerin und Projekte des von ihr geführten Ministeriums zum Gegenstand. Hiervon ist aber der Teil des Interviews zu unterscheiden, der sich mit dem möglichen Einzug der Antragstellerin in den Thüringer Landtag befasst und die streitbefangene Äußerung der Antragsgegnerin enthält. Die Antragsgegnerin bezieht sich in dieser Passage in keiner Weise auf ihr Amt als Mitglied der
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 16.12.2014
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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Dokument-Nr. 20347
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