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Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 13.05.2011
L 9 U 154/09 -

Hessisches LSG: Hinterbliebene erhalten bei absoluter Fahruntüchtigkeit des Versicherten keine Unfallrente

Arbeitgeber muss Alkoholkonsum nicht unterbinden

Arbeitnehmer sind auf dem Weg nach und von dem Ort ihrer Arbeitstätigkeit gesetzlich unfallversichert. Dieser Versicherungsschutz entfällt, wenn der Versicherte absolut fahruntüchtig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber den Alkoholkonsum während der Arbeit nicht verhindert hat. Dies entschied das Hessische Landessozialgericht.

Im zugrunde liegenden Fall verstarb ein 30-jähriger Vater von zwei Kindern im September 2007 auf der Heimfahrt nach seiner Arbeit in einer Eisengießerei. Der Mann aus dem Landkreis Waldeck-Frankenberg wurde 1 ½ Stunden nach dem Ende seiner Spätschicht tot im Straßengraben aufgefunden. Eine Blutprobe ergab eine Alkoholkonzentration von 2,2 Promille.

Berufsgenossenschaft verweist auf absolute Fahruntüchtigkeit

Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Entschädigung der Hinterbliebenen ab, weil die absolute Fahruntüchtigkeit die allein wesentliche Unfallursache gewesen sei. Die klagende Ehefrau des Verstorbenen führte dagegen an, dass im Betrieb Alkoholkonsum während der Arbeit üblich und vom Arbeitgeber toleriert werde. Zudem hätten Vorgesetzte nicht nur mitgetrunken, sondern auch selbst Alkohol mit in die Firma gebracht.

Landessozialgericht: Arbeitgeber hat Fürsorgepflicht nicht verletzt

Die Richter des Hessischen Landessozialgerichts und auch der Vorinstanzen gaben der Berufsgenossenschaft Recht. Die absolute Fahruntüchtigkeit, die bereits bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille vorliege, sei die rechtlich allein wesentliche Ursache für den Unfall gewesen. Anhaltspunkte für andere Ursachen – wie z.B. Fahrzeugmängel, schlechte Straßenverhältnisse, Verschulden Dritter oder Wildwechsel – lägen nicht vor. Der Unfallversicherungsschutz sei auch nicht aufgrund einer etwaigen Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers erhalten geblieben. Denn Alkoholmissbrauch stelle eine eigenverantwortliche Schädigung dar. Unterlasse es der Arbeitgeber, diesen während der Arbeitszeit zu unterbinden, führe dies allenfalls zu einer untergeordneten Mitverursachung. Eine maßgebliche Verletzung der Fürsorgepflicht käme nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Alkoholkonsum am Arbeitsplatz geduldet und keinerlei Schutzvorkehrungen gegen das anschließende Benutzen eines Pkw im verkehrsuntüchtigen Zustand getroffen hätte. Mit dem erteilten Alkoholverbot, einer entsprechenden Betriebsvereinbarung und dem Bereitstellen alkoholfreier Getränke habe der Arbeitgeber des Verstorbenen jedoch die gebotenen Schutzmaßnahmen ergriffen.

Wie bei Kenntnis des Arbeitgebers von einer Alkoholabhängigkeit des Arbeitnehmers zu entscheiden wäre, ließen die Richter dahinstehen, da hierfür im konkreten Fall keine Anhaltspunkte vorlägen.

Hinweise zur Rechtslage

§ 8 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). (…)

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit, (…)

§ 63 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)

(1) Hinterbliebene haben Anspruch auf (…) Hinterbliebenenrenten (…). Der Anspruch (…) besteht nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 18.07.2011
Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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Kommentare (1)

 
 
Armin schrieb am 16.07.2015

Wenn die Behauptung der Ehefrau, dass im Betrieb Alkohol auch von vorgesetzten mitgebracht und auch getrunken wurde, so führt dies das betriebliche Alkoholverbot und die Betriebsvereinbarung dazu ad absurdum. Welche Aussagekraft die alkoholfreien angebotenen Getränke haben sollen, bleibt das Geheimnis des Gerichts ...

Ich betrachte diese Entscheidung insofern als Fehlentscheidung, das Gericht hätte den klägerseitigen Vortrag zum Alkoholkonsum am Arbeitsplatz durch Vorgesetzte bereits von Amts wegen prüfen müssen, was offensichtlich nicht erfolgt ist.

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