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Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 08.06.2022
14 U 118/21 -

Überholen einer Fahrzeugkolonne von bis zu 10 Fahrzeugen ist zulässig

Jedoch besteht erhöhte Sorgfaltspflicht

Das Überholen einer Fahrzeugkolonne von bis zu 10 Fahrzeugen ist zulässig. Eine unklare Verkehrslage nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO besteht nicht. Entsteht eine solche nachträglich, muss der Überholvorgang nicht abgebrochen werden. Jedoch besteht für den Überholenden eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Dies hat das Oberlandesgericht Celle entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Mai 2014 kam es auf einer Bundesstraße in Niedersachsen zu einem Verkehrsunfall. Ein Motorradfahrer überholte eine Fahrzeugkolonne von 9-10 Fahrzeugen, als aus der Kolonne ein Pkw nach links abbog. Dabei kam es zu einem Zusammenstoß mit dem Motorrad. Das Landgericht Verden verurteilte den Fahrer des Pkw und dessen Haftpflichtversicherung auf Basis einer Haftungsquote von 50 % zur Zahlung von Schadensersatz. Es warf den Pkw-Fahrer vor, unter Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO aus der Kolonne ausgeschert zu sein. Es lastete dem Motorradfahrer an, überhaupt zum Überholen angesetzt zu haben. Nach Auffassung des Gerichts habe eine unklare Verkehrslage vorgelegen. Gegen diese Entscheidung des Landgerichts richtete sich die Berufung des Motorradfahrers.

Überholen einer Fahrzeugkolonne von bis zu 10 Fahrzeugen ist zulässig

Das Oberlandesgericht Celle entschied, dass das Überholen einer Fahrzeugkolonne von bis zu 10 Fahrzeugen zulässig sei. Eine unklare Verkehrslage liege nicht vor. Soweit man eine solche annehmen wolle, sobald erkennbar wird, dass ein Fahrzeug aus der Kolonne ausscheren will, ändere dies nichts. Ein begonnener Überholvorgang müsse nicht abgebrochen werden, wenn während des Überholvorgangs eine unklare Verkehrslage erkennbar wird. Denn der Abbruch des Überholens sei unter Umständen gefährlicher, als dessen Fortsetzung.

Überholender hat Vorrang gegenüber Vorausfahrenden

Wer ordnungsgemäß zum Überholen ansetzt, dürfe nach Auffassung des Oberlandesgerichts darauf vertrauen, dass sich kein vorausfahrender Fahrzeugführer verkehrswidrig verhält und vorschriftwidrig ausschert. Ihm stehe der Vorrang gegenüber den Vorausfahrenden zu.

Verstoß gegen erhöhte Sorgfaltspflicht begründet Mithaftung von 25 %

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts treffe aber denjenigen, der bei hoher Geschwindigkeit mehrere Fahrzeuge überholt, eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Diesen Anforderungen sei der Motorradfahrer nicht nachgekommen, da er sein Fahrzeug nicht abbremste, obwohl für ihn erkennbar war, dass der Pkw-Fahrer zum Abbiegen ansetzte. Dieser Sorgfaltsverstoß rechtfertige ein Mithaftungsanteil von 25 %.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 25.08.2022
Quelle: Oberlandesgericht Celle, ra-online (vt/rb)

Vorinstanz:
  • Landgericht Verden, Urteil vom 09.07.2021
    [Aktenzeichen: 8 O 340/17]

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Dokument-Nr.: 32101 Dokument-Nr. 32101

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Kommentare (2)

 
 
Dennis Langer schrieb am 26.08.2022

Absolut unverständliches Urteil. Wer rechnet schon damit, dass ein Irrer gleich zehn Kraftfahrzeuge auf einmal überholt?

Roland Berger antwortete am 27.08.2022

Sehr geehrter Herr Langer, ich denke, Ihr Verstand ist in diesem Fall leicht getrübt. Wer zum Überholen ansetzt, muß vor dem Ausscheren bzw. Spurwechsel sich durch einen Blick in den Rückspiegel und einen Schulterblick sich grundsätzlich vergewissern, ob die Überholspur frei ist oder sich auf ihr ein Fahrzeug nähert. Es spielt insoweit keine Rolle, ob das Ausscheren aus einer Fahrzeugkolonne beabsichtigt ist oder keine Kolonne verhanden ist. Der Rückblick über die Schulter und in den Außenspiegel ist obligatorisch. Wer das bei der praktischen Fahrprüfung versäumt, darf in der Regel den Fahrbahnrand ansteuern und aussteigen.

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