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Thüringer Oberlandesgericht Jena, Urteil vom 21.07.2011
1 U 1223/05 -

Bauunternehmen und Architekt haften für missglückte Sanierung der Flutlichtanlage im Fußballstadion

Bauunternehmen als auch Architekt für Baumängel verantwortlich

Das Thüringer Oberlandesgericht hat in einem Berufungsverfahren entschieden, dass neben dem Bauunternehmen auch der Architekt für eine missglückte Sanierung der Flutlichtanlage im Steigerwaldstadion haftet.

Im vorliegenden Fall hatte die Thüringer Landeshauptstadt im Jahr 1999 die Flutlichtanlage des Steigerwaldstadions erneuern lassen. Noch vor der Abnahme der Bauleistungen knickte einer der neuen Lichtmäste (in der Nacht vom 30. November zum 1. Dezember 1999) über dem Seilanschluss ab; das abgebrochene 7,2 t schwere Teil des Mastes hing pendelnd herab und drohte abzustürzen. Aus Sicherheitsgründen wurden deshalb alle vier Masten demontiert. Hierfür und für die anschließende Neuplanung und Neuerrichtung der Flutlichtanlage musste die Stadt Erfurt mehr als 1 Mio. Euro aufwenden.

I. Instanz: Stadt begehrte Schadensersatz vom Bauunternehmer und Architekten

Diese so genannten Mängelbeseitigungskosten waren Gegenstand des darauf folgenden Bauprozesses. Die Landeshauptstadt hatte nach Abzug einbehaltenen Restwerklohns von rund 450.000 Euro einen Betrag von rund 570.000 Euro als Schadensersatz von dem Bauunternehmen und dem Architekten verlangt.

Klage gegen Architekten abgewiesen

Mit der Klage war sie in der ersten Instanz nur teilweise erfolgreich. Das Landgericht Erfurt verurteilte (nur) das Bauunternehmen zur Zahlung – und zwar in Höhe von 492.807,43 Euro. Die Klage gegen den Architekten wies es hingegen ab.

Berufung gegen Urteil von Bauunternehmer und Stadt eingelegt

Gegen das Urteil des Landgerichts haben das Bauunternehmen und die Stadt Erfurt Berufung eingelegt; das Bauunternehmern mit dem Ziel der Klageabweisung und (widerklagend) des Zuspruchs von rund 600.000 Euro Werklohn (einbehaltener Restwerklohn für die Ersterrichtung der Masten, daneben Demontagekosten und Werklohn für die Neuerrichtung). Ziel der Berufung der Landeshauptstadt war eine Verurteilung auch des Architekten.

Berufung des Bauunternehmers erfolglos - Berufung der Stadt erfolgreich

Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme (mehrere schriftliche und mündliche Ergänzungen des schon vom Landgericht eingeholten bautechnischen Sachverständigengutachtens) hat der das Thüringer Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert. Während die Berufung des Bauunternehmens erfolglos blieb, hat das Gericht der Berufung der Stadt Erfurt teilweise stattgegeben. In Höhe von 191.400 Euro kann die Landeshauptstadt nun auch den Architekten auf Schadensersatz in Anspruch nehmen; er haftet in dieser Höhe gemeinsam (als Gesamtschuldner) mit dem Bauunternehmen. Bei den restlichen 301.407,43 Euro bleibt es hingegen bei der Alleinhaftung des Bauunternehmens.

Begründung: Baumängel verursacht durch Ausführungsfehler vom Bauunternehmen und Planungsfehler vom Architekten

Zur Begründung hat das Oberlandesgericht in seinem Urteil im Wesentlichen ausgeführt, dass es an der Flutlichtanlage sowohl durch Ausführungsfehler, als auch durch Planungsfehler verursachte Baumängel gegeben habe. Zwar sei der Lichtmast 1 deshalb (ab)gebrochen, weil das Bauunternehmen einen ungeeigneten (zu spröden) Stahl verwendet habe. Neben der Ausführungsleistung sei aber auch die Planungsleistung des Architekten mangelhaft gewesen; die (von ihm geplante) Konstruktion sei unterhalb der Seilabspannung - auf Sicht gesehen - nicht tragsicher gewesen und habe die Windbeanspruchung nur unzureichend berücksichtigt. Für den sowohl durch Ausführungs- als auch Planungsmängel entstandenen identischen Schaden seien Bauunternehmer und Architekt gemeinsam verantwortlich; für den darüber hinausgehenden Schaden oberhalb der Seilabspannung hafte das Bauunternehmen hingegen allein. Deshalb hätten das Bauunternehmen und der Architekt als Gesamtschuldner nur die Kosten zu ersetzen, die fiktiv allein für die Beseitigung der Planungsfehler am unteren Teil der Flutlichtmaste angefallen wären. Da hierfür die Masten hätten stehen bleiben können, beliefen sich die in die gesamtschuldnerische Haftung fallenden fiktiven Mängelbeseitigungskosten (nur) auf 191.400 Euro. Die vollständige Demontage und Sanierung der Anlage sei allein wegen des Ausführungsmangels erforderlich gewesen. Den größeren Anteil von 301.407,43 Euro der mit insgesamt 492.807,43 Euro festgestellten Mängelbeseitigungskosten habe das Bauunternehmen deshalb allein zu tragen.

Hintergrund:

Die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Schuldner ist in § 421 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt.

Die Vorschrift im Wortlaut:

"Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet."

Für den vom 1. Zivilsenat entschiedenen Fall bedeutet das, dass die Stadt Erfurt den Schadensersatzbetrag von 191.400 Euro zwar insgesamt nur einmal fordern darf. Ob sie aber nur den Architekten oder nur das Bauunternehmen oder auch beide in Anspruch nimmt, steht in ihrem Belieben (vom Gesetz zu dessen Absicherung vorgesehene "Paschastellung" des Gläubigers).

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.07.2011
Quelle: Thüringer Oberlandesgericht/ra-online

Vorinstanz:
  • Landgericht Erfurt, Urteil vom 17.11.2005
    [Aktenzeichen: 8 O 2564/03]
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