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Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 03.08.2012
20 U 98/12 -

Recht zur verdeckten Observation des Versicherungs­nehmers bei Verdacht auf vorsätzliches vertragswidriges Verhalten

Tatsächliche konkrete Anhaltspunkte müssen vorliegen

Eine Versicherung hat das Recht bei Vorliegen eines Verdachts auf vorsätzliches vertragswidriges Verhalten des Versicherungs­nehmers, eine verdeckte Observation durchzuführen. Es müssen jedoch konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen. Dies hat das Oberlandesgericht Köln entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Zusammenhang mit der Leistung aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung wurde dem Versicherungsnehmer ein Fragebogen zugesandt. Darin gab er an, dass seine berufliche Tätigkeit aus Bürobesprechungen besteht, mit einem Stundenaufwand von etwa zwei Stunden täglich an 2-3 Tagen in der Woche. Darüber hinaus gab der Versicherungsnehmer im Fragebogen an, folgende Beschwerden aufzuweisen: Stark eingeschränkte Gehstrecken, Schmerzen in Rücken und Beinen, Kopfschmerzen, fehlende geistige und körperliche Belastbarkeit. Über eine Internetrecherche erfuhr die Versicherung hingegen, dass der Versicherte an mehreren Motorradrennen teilgenommen hatte. Auf der Homepage der Firma und im Handelsregister wurde der Versicherungsnehmer zudem noch als Geschäftsführer benannt. Aufgrund dieser Informationen gab sie die Observation des Versicherten in Auftrag. Nachdem der Versicherungsnehmer davon erfuhr, wendete er sich mit einer einstweiligen Verfügung gegen die Observierungsmaßnahmen. Er war der Meinung, durch die verdeckte Observierung sei er in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden. Ihm stehe daher ein Unterlassungsanspruch zu. Das Landgericht Bonn wies den Antrag zurück. Dagegen richtete sich die Berufung des Versicherungsnehmers.

Zurückweisung des Antrags auf einstweilige Verfügung war zulässig

Das Oberlandesgericht Köln entschied gegen den Versicherungsnehmer. Die Zurückweisung des auf Unterlassen der Observierungsmaßnahmen gerichteten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zulässig. Denn der Versicherungsnehmer habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Observierung.

Grundlose Observierung unzulässig

Im Versicherungsrecht herrsche das Gebot der Rücksichtnahme, so das Oberlandesgericht weiter. Der Versicherungsnehmer habe daher grundsätzlich Anspruch darauf, dass sein allgemeines Persönlichkeitsrecht vom Versicherungsgeber beachtet werde. Er sei aber auch dazu verpflichtet, umfassend und wahrheitsgemäß über vertragserhebliche Umstände zu informieren. Demgegenüber müsse der Versicherer die berechtigten Interessen des Versicherungsnehmers wahren. Somit sei eine Überprüfung der Auskünfte des Versicherungsnehmers mit verdeckten Ermittlungsmethoden wie der Observierung grundsätzlich unzulässig. Denn kein Vertragspartner müsse es hinnehmen, grundlos bespitzelt zu werden.

Ausnahme nur bei Verdacht eines vorsätzlich vertragswidrigen Verhaltens

Etwas anderes gelte jedoch nach Ansicht des Oberlandesgerichts dann, wenn der begründete Verdacht für ein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Versicherungsnehmers besteht. Für den Verdacht genüge nicht ein bloßer Zweifel an der Richtigkeit der Angaben. Vielmehr müssen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung vorliegen. Insbesondere bei Verdacht eines arglistigen Vorgehens müsse es dem Versicherer möglich sein, durch verdeckte Ermittlungen Erkenntnisse zu gewinnen. Denn es könne die Gefahr bestehen, dass der Versicherte Beweismittel unterdrückt oder auf andere Weise sein vertragswidriges Verhalten verschleiert. Bei der Art und dem Umfang der verdeckten Ermittlungen müsse zudem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet werden.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht wurde nicht verletzt

Nach diesen Grundsätzen habe nach Ansicht des Gerichts keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Versicherten vorgelegen. Der Versicherer und die Versicherungsgemeinschaft haben ein berechtigtes Interesse daran, sich vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen durch einzelne Versicherte zu schützen. Der Versicherer sei daher berechtigt gewesen, Verdachtsmomenten nachzugehen. Der durch konkrete Anhaltspunkte untermauerte Verdacht auf einen möglicherweise anzunehmenden unberechtigten Leistungsbezug, rechtfertige selbst eine längerfristige Observation. Sie sei daher auch nicht unverhältnismäßig gewesen.

Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte lagen vor

Aus Sicht des Gerichts haben konkrete tatsächliche Anhaltspunkte vorgelegen, die ein vorsätzliches vertragswidriges Verhalten des Versicherten begründen konnten. Die Internetrecherchen der Versicherung haben es nahe gelegt, dass der Versicherte zum einen tatsächlich in einem weitaus größeren Umfang als im Fragebogen mitgeteilt für das Unternehmen tätig war. Zum anderen seien die Angaben zu seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit im Fragebogen mit der Teilnahme an Motorradrennen nicht vereinbar gewesen. Denn solche Rennen stellen eine hohe Anforderung an die Konzentration und körperliche Belastung des Fahrers dar.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 03.06.2013
Quelle: Oberlandesgericht Köln, ra-online (vt/rb)

Vorinstanz:
  • Landgericht Bonn, Urteil vom 04.05.2012
    [Aktenzeichen: 9 O 60/12]
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