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Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 19.04.2016
- 1 BvR 3309/13 -
Grundgesetz gebietet keinen Abstammungsklärungsanspruch gegenüber mutmaßlich leiblichem Vater
Aus allgemeinem Persönlichkeitsrecht abgeleiteter Schutz der Kenntnis der eigenen Abstammung gilt nicht absolut
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass von Verfassung wegen kein Anspruch auf Durchführung eines Verfahrens zur sogenannten rechtsfolgenlosen Klärung der Abstammung gegenüber dem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater besteht. Der aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Schutz der Kenntnis der eigenen Abstammung ist nicht absolut, sondern muss mit widerstreitenden Grundrechten in Ausgleich gebracht werden. Hierfür verfügt der Gesetzgeber über einen Ausgestaltungsspielraum. Auch wenn eine andere gesetzliche Lösung verfassungsrechtlich denkbar wäre, so ist es vom Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers - auch im Lichte der Europäischen Konvention für Menschenrechte - gedeckt, wenn die rechtsfolgenlose Klärung der Abstammung nur innerhalb der rechtlichen Familie, nicht aber gegenüber dem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater besteht.
Die im Jahr 1950 nichtehelich geborene Beschwerdeführerin des zugrunde liegenden Verfahrens nimmt an, dass der Antragsgegner des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Antragsgegner) ihr leiblicher Vater ist. Im Jahr 1954 nahm die Beschwerdeführerin den Antragsgegner nach damaligem Recht auf "Feststellung blutsmäßiger Abstammung" in Anspruch. Das Landgericht wies die Klage im Jahr 1955 rechtskräftig ab. Im Jahr 2009 forderte die Beschwerdeführerin den Antragsgegner zur Einwilligung in die Durchführung eines DNA-Tests auf, um die
Isolierter Abstammungsklärungsanspruch gegenüber dem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater nicht gegeben
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die zulässige Verfassungsbeschwerde nicht begründet ist. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin nicht in ihren Grundrechten. Die Auslegung des § 1598 a BGB durch das Amtsgericht und das Oberlandesgericht ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die von der Beschwerdeführerin angestrebte erweiternde verfassungskonforme Auslegung der Norm kommt nicht in Betracht, weil die geltende Rechtslage, die weder in § 1598 a BGB noch an anderer Stelle einen isolierten Abstammungsklärungsanspruch gegenüber dem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater vorsieht, mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Es verstößt insbesondere nicht gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Kindes, dass es seine leibliche
Gesetzgeber kommen bei Ausgestaltung privater Rechtsbeziehungen weite Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielräume zu
Die Frage der Aufklärbarkeit der eigenen
Im Falle einer gegen den Willen des vermeintlich leiblichen Vaters durchgeführten Abstammungsklärung sind mehrere Grundrechtsträger in unterschiedlichem Maße betroffen.
Resultierend aus Recht auf Privat- und Intimsphäre müssen geschlechtliche Beziehungen nicht offenbaren
Sowohl dem Mann, dessen leibliche
Entnahme genetischer Proben ist mit Eingriff in Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden
Daneben sind weitere Grundrechte des Mannes, dessen leibliche
Abstammungsuntersuchung kann zur Beeinträchtigung des grundgesetzlich geschützten Familienlebens führen
Darüber hinaus kann die Abstammungsklärung den zur Mitwirkung verpflichteten Mann und seine Familie in ihrem durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Familienleben beeinträchtigen. Dieses bleibt nicht unberührt, wenn die Möglichkeit im Raum steht, dass der Mann ein weiteres Kind haben könnte. Das gilt unabhängig davon, ob sich der Verdacht durch die Abstammungsuntersuchung bestätigt oder nicht, und ist auch bei negativem Ausgang der Abstammungsklärung nicht vollständig reversibel. Die Belastung besteht aber erst recht, wenn sich eine weitere
Die Anordnung und Durchführung einer Abstammungsuntersuchung, durch welche die leibliche
Isolierte Abstammungsklärung birgt Gefahr einer Abstammungsuntersuchungen "ins Blaue" hinein
Die Abstammungsklärung beeinträchtigt zudem das allgemeine Persönlichkeitsrecht des rechtlichen Vaters, in dessen Selbstverständnis die Annahme, in genealogischer Beziehung zu seinem Kind zu stehen, eine Schlüsselstellung einnehmen kann. Mit der Ermöglichung der isolierten Abstammungsklärung zwischen Personen, die nicht durch ein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis verbunden sind, geht zudem die Gefahr einher, dass Abstammungsuntersuchungen "ins Blaue" hinein erfolgen. Die genannten Grundrechtsbeeinträchtigungen könnten daher eine erhebliche personelle Streubreite entfalten. Bei der Klärung nach § 1598 a BGB, also innerhalb der rechtlichen Familie, besteht diese Gefahr nicht, weil der Kreis der Berechtigten und Verpflichteten hier auf die Mitglieder der rechtlichen Familie beschränkt ist. Dieses Regulativ entfällt aber, wenn wie in der vorliegenden Konstellation zwangsläufig auch Außenstehende als Verpflichtete einbezogen werden.
Kind kann regulär gemäß § 1600 d BGB Feststellung der Vaterschaft des betroffenen Mannes beantragen
Die Entscheidung des Gesetzgebers, keine isolierte Abstammungsklärung gegenüber dem angeblich leiblichen Vater zu ermöglichen, wahrt die verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger Ausgestaltung. Die Bereitstellung eines solchen Verfahrens wäre dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich möglich. Zwingend vorgegeben ist ihm dies durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes jedoch nicht, zumal ein Kind, das seine
Ausschluss des isolierten Abstammungsklärungsverfahrens gerechtfertigt
Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung, kein isoliertes Abstammungsklärungsverfahren gegenüber dem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater zuzulassen, trägt dem für die Grundrechte der Betroffenen ungünstigsten und wegen der Ungewissheit der leiblichen
Grundrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention und Rechtsprechung des EGMR bleiben gewahrt
Die Berücksichtigung der als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten heranzuziehenden Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK schließt zwar nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte das Recht auf Identität ein, zu dem auch das Recht auf Kenntnis der eigenen
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 19.04.2016
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
- Abweisung von Klagen mutmaßlich leiblicher Väter zur Anfechtung der Vaterschaft verstößt nicht gegen Europäische Menschenrechtskonvention
(Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 22.03.2012
[Aktenzeichen: 45071/09 und 23338/09]) - Umgangs- und Auskunftsanspruch des biologischen Vaters: Zeitpunkt der Einholung eines Abstammungsgutachtens muss verhältnismäßig sein
(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19.11.2014
[Aktenzeichen: 1 BvR 2843/14])
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Dokument-Nr. 22491
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