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Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 14.06.2016
- C-308/14 -
Aufenthaltserlaubnis als Voraussetzung für Kindergeldbezug von EU-Bürger im Vereinigten Königreich zulässig
Daraus resultierende Diskriminierung zum Schutz der Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats gerechtfertigt
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass das Vereinigte Königreich verlangen kann, dass Bezieher von Kindergeld und der Steuergutschrift für Kinder ein Recht auf Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet haben. Diese Voraussetzung stellt zwar eine mittelbare Diskriminierung dar, ist aber durch die Notwendigkeit, die Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats zu schützen, gerechtfertigt.
Die Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit* sieht eine Reihe von gemeinsamen Grundsätzen vor, die die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet einhalten müssen, so dass die einzelnen nationalen Systeme niemanden, der von seinem Recht auf Freizügigkeit und seinem Aufenthaltsrecht in der Union Gebrauch macht, benachteiligen. Einer dieser allgemeinen Grundsätze ist der Gleichbehandlungsgrundsatz. Im Rahmen der sozialen Sicherheit kommt dieser Grundsatz durch das Verbot einer Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zum Ausdruck.
Kommission hält Bedingungen zum Bezug bestimmter Sozialleistungen für diskriminierend
Bei der Kommission gingen zahlreiche Beschwerden von sich im Vereinigten Königreich aufhaltenden nicht britischen EU-Bürgern ein. Diese Bürger beschwerten sich darüber, dass sich die zuständigen britischen Behörden weigerten, ihnen bestimmte soziale Leistungen zu gewähren, weil sie kein Aufenthaltsrecht in diesem Land besäßen. Nach Auffassung der Kommission entsprechen die britischen Rechtsvorschriften nicht den Bestimmungen der Verordnung; sie hat daher gegen das Vereinigte Königreich eine Vertragsverletzungsklage erhoben. Sie hat darauf hingewiesen, dass die britischen Rechtsvorschriften bei einem Antrag auf bestimmte soziale Leistungen – dazu gehören, wie im vorliegenden Fall in Rede stehend, das
Erfordernis eines Aufenthaltsrechts stellt verhältnismäßige Maßnahme dar
Das Vereinigte Königreich beruft sich demgegenüber auf das Urteil Brey (Urteil des EuGH vom 19.09.2013, C-140/12), wonach der Aufnahmemitgliedstaat die Gewährung von Sozialleistungen an Unionsbürger von dem Erfordernis abhängig machen könne, dass diese die im Wesentlichen in einer Richtlinie der Union** festgelegten
Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne der Verordnung soll gleichzeitige Anwendung verschiedener nationaler Rechte verhindern
In seinem Urteil weist der Gerichtshof die Klage der Kommission ab. Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die in Rede stehenden Leistungen solche der sozialen Sicherheit sind und damit in den Geltungsbereich der Verordnung fallen. Sodann weist der Gerichtshof das Hauptargument der Kommission zurück, wonach die britischen Rechtsvorschriften eine zusätzliche Voraussetzung zu der in der Verordnung vorgesehenen Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts aufstellten. Der Gerichtshof weist insoweit darauf hin, dass das Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne der Verordnung keine notwendige Voraussetzung für den Anspruch auf die Leistungen ist, sondern eine "Kollisionsnorm", die die gleichzeitige Anwendung verschiedener nationaler Rechte vermeiden und verhindern soll, dass Personen, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben, der Schutz vorenthalten wird. Die Verordnung schafft kein gemeinsames System der sozialen Sicherheit, sondern lässt unterschiedliche nationale Systeme bestehen. Sie legt somit nicht die inhaltlichen
Voraussetzung des Rechts auf Aufenthalt stellt zulässige Ungleichbehandlung dar
Zu dem von der Kommission hilfsweise vorgetragenen Argument, dass die Prüfung des Aufenthaltsrechts eine
Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts erfolgt nur im Zweifelsfall
Der Gerichtshof stellt hierzu fest, dass die nationalen Behörden die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Einklang mit den in der Richtlinie über die Freizügigkeit vorgesehenen
Erläuterungen
* - Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 166, S. 1).
** - Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77).
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 14.06.2016
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
- EU-Staatsbürger dürfen in den ersten drei Monaten des Aufenthalts von bestimmten Sozialleistungen ausgeschlossen werden
(Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 25.02.2016
[Aktenzeichen: C-299/14]) - Kindergeldbezug gleichzeitig in mehreren EU-Staaten möglich
(Finanzgericht Köln, Urteil vom 30.01.2013
[Aktenzeichen: 15 K 47/09, 15 K 930/09 und 15 K 2058/09])
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Dokument-Nr. 22749
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