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Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.12.2023
- KZR 101/20 -
Bundesgerichtshof zum Streit um das Fernwärmenetz Stuttgart
EnBW muss Stuttgarter Fernwärmenetz nicht zurückbauen
Der Bundesgerichtshof hat in einem Rechtsstreit zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und EnBW entschieden, dass die Stadt nach Beendigung des zwischen den Parteien vereinbarten Gestattungsvertrags weder Eigentümerin des Fernwärmenetzes geworden ist, noch von EnBW Übereignung des Netzes verlangen kann. Ebenso wenig steht ihr ein Anspruch auf Beseitigung der Netzleitungen zu. Umgekehrt hat aber auch EnBW, die das Fernwärmenetz in Zukunft weiterbetreiben möchte, keinen kartellrechtlichen Anspruch auf die erneute Einräumung von Wegenutzungsrechten zum Betrieb des Fernwärmenetzes.
Die Klägerin, die Landeshauptstadt Stuttgart, ist Eigentümerin sämtlicher Wegegrundstücke der Stadt. EnBW, die Beklagte, betreibt das dortige Fernwärmenetz. Zunächst erschloss das Kommunalunternehmen "Technische Werke der Stadt Stuttgart AG" (TWS) größere Gebiete für die Fernwärmeversorgung der Stadt. Im April 1994 schloss die Stadt mit der TWS einen "Konzessionsvertrag", mit dem der TWS Wegenutzungsrechte für die Verlegung und den Betrieb des Fernwärmenetzes eingeräumt wurden. Der Vertrag sah eine Laufzeit bis Ende Dezember 2013 vor. Eine Regelung zum Eigentum an den Versorgungsanlagen nach Beendigung des Vertrags (sog. Endschaftsregelung) enthielt der Vertrag nicht. Der operative Geschäftsbetrieb der TWS wurde zum 1. Januar 1997 auf die "Neckarwerke Stuttgart AG" (NWS) übertragen, an der die Stadt zunächst noch beteiligt war. Mit Wirkung vom 15. Juli 2002 verkaufte sie diese Anteile an EnBW. Anschließend wurde NWS in den Konzern der EnBW eingegliedert. Während der Vertragsdauer baute EnBW das Fernwärmenetz auf insgesamt 218 km aus. Die Fernwärmeleitungen befinden sich zum größten Teil in oder auf Grundstücken der Stadt; Anschlussleitungen liegen auf Grundstücken Dritter und weitere Anlagen befinden sich auf Grundstücken der EnBW, welche die
Stadt hat unternehmerisch gehandelt
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das Oberlandesgericht die auf Kartellrecht gestützte Widerklage von EnBW auf langfristige Einräumung von Wegenutzungsrechten zum Weiterbetrieb des Fernwärmenetzes zu Recht abgewiesen hat. Zwar verfügt die Stadt über eine beherrschende Stellung auf dem Markt für die Vergabe von Wegenutzungsrechten. Indem sie EnBW die Einräumung von Wegenutzungsrechten verweigerte, handelte sie auch unternehmerisch. Allerdings kann ein Anspruch auf Nutzungsrechtseinräumung nach § 19 GWB nur dann in Betracht kommen, wenn die technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten sämtlichen Interessenten den Bau paralleler Netzinfrastrukturen erlauben. Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Eine dauerhafte Monopolstellung von EnBW muss die Stadt auch nicht deshalb akzeptieren, weil EnBW das Fernwärmenetz mit eigenen Ressourcen aufgebaut hat. Diese Investitionen hat EnBW im Rahmen eines zeitlich befristeten Gestattungsvertrags und auf Grundlage von Wegenutzungsrechten vorgenommen, die das Unternehmen von der öffentlichen Hand ableitet. Insoweit ist das von ihr erworbene Eigentum an den Netzleitungen "belastet". Es kann der Stadt zudem aus kartellrechtlichen Gründen nicht verwehrt werden, in Anlehnung an die - nur für den Strom- und Gasbereich geltende - Regelung des § 46 EnWG im eigenen Interesse und in dem der Allgemeinheit Wegenutzungsrechte zeitlich begrenzt zu vergeben und einen Wettbewerb um das Netz mit dem Zweck zu organisieren, die wettbewerblichen Nachteile, die mit einem Leitungsmonopol verbunden sind, zumindest teilweise zu kompensieren. Insoweit hat der Bundesgerichtshof die Revision von EnBW zurückgewiesen.
Kein automatischer Eigentumsübergang nach Vertragsende
Die Revision der Landeshauptstadt Stuttgart hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Er hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts insoweit bestätigt, als danach die Stadt mit Beendigung des Gestattungsvertrages kein Eigentum an den Netzanlagen erworben hat. Einen automatischen Eigentumsübergang nach Vertragsende sieht das Gesetz nicht vor. § 95 BGB verlangt für den Eigentumsübergang von Versorgungsleitungen (sogenannten Scheinbestandteilen) vielmehr eine Willensentschließung des Eigentümers der Netzleitungen. Einen solchen Entschluss hat EnBW nicht getroffen. Ebenso bestätigt hat der Bundesgerichtshof die Entscheidung der Vorinstanz, wonach die Stadt von EnBW auch nicht die Übereignung der Netzanlagen verlangen kann. Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus einer ergänzenden Auslegung des Gestattungsvertrags. Maßgebend dafür ist, dass die Stadt ein wettbewerbliches Verfahren zur Auswahl des zukünftigen Netzbetreibers in Gang gesetzt, dieses bislang nur ausgesetzt und nicht beendet hat. Da EnWB an diesem Verfahren beteiligt ist, besteht die Möglichkeit, dass in Zukunft nicht die Stadt, sondern weiterhin EnBW oder ein anderes am Auswahlverfahren beteiligtes Unternehmen das Fernwärmenetz betreiben wird. In dieser Situation besteht kein berechtigtes Interesse der Stadt, Eigentümerin des Fernwärmenetzes zu werden. Redliche Vertragsparteien hätten eine solche Regelung nicht vereinbart. Auch gesetzliche Vorschriften begründen keinen Anspruch auf Eigentumsverschaffung. § 997 Abs. 2 und § 552 Abs. 1 BGB bieten dafür angesichts des begonnenen und noch nicht beendeten Auswahlverfahrens keine Grundlage. Der Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB kann von vornherein nicht auf Verschaffung des Eigentums gerichtet sein. Im Streitfall stehen mehrere Möglichkeiten zur Störungsbeseitigung zur Verfügung und die Wahl der Mittel bleibt dem Störer, also EnBW, überlassen.
Kein Beseitigungsanspruch der Stadt
Anders als das Oberlandesgericht hat der Bundesgerichtshof jedoch entschieden, dass EnBW nach § 1004 Abs. 1 BGB auch nicht verpflichtet ist, den eigentumsrechtlichen Störungszustand zu beseitigen, der sich daraus ergibt, dass sich die im Eigentum von EnBW stehenden Netzleitungen in den städtischen Wegegrundstücken befinden. Vielmehr ist die Stadt verpflichtet, diesen Zustand nach § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden. Das ergibt sich aus nachvertraglichen Rücksichtnahmepflichten in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§§ 241, 242 BGB), der auch im wettbewerblichen Auswahlverfahren zu beachten ist. Entscheidend ist insoweit wiederum, dass dieses Verfahren noch nicht beendet und damit auch nicht ausgeschlossen ist, dass EnBW in Zukunft weiterhin das Fernwärmenetz betreiben wird. Das Interesse, einem Bürgerbegehren Rechnung zu tragen, rechtfertigt in dieser Situation einen
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 11.12.2023
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)
- Landgericht Stuttgart, Urteil vom 14.02.2019
[Aktenzeichen: 11 O 225/16] - Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 26.03.2020
[Aktenzeichen: 2 U 82/19]
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Dokument-Nr. 33543
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