alle Urteile, veröffentlicht am 31.01.2013
Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 24.01.2013
- 4 W 645/12 -
Einseitiger Internetauftritt eines Sachverständigen kann Besorgnis der Befangenheit begründen
Gestaltung der Internetseiten kann Eindruck fehlender Neutralität des Sachverständigen erwecken
Hebt ein medizinischer Sachverständiger auf seiner Homepage ganz offensichtlich seine Patientennähe her und betont massiv die kritische Distanz zu Klinikbetreibern, kann dies die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen im Gerichtsverfahren unter Beteiligung von Klinikbetreibern begründen. Denn in einem solchen Fall kann ein Sachverständiger den Eindruck der fehlenden Neutralität erwecken. Es ist aber seine Pflicht, im gerichtlichen Verfahren den Anschein der Voreingenommenheit und Parteilichkeit gerade zu vermeiden. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz hervor.
Im zugrunde liegenden Fall erstatte der Sachverständige in einem Schadensersatzprozess einer Patientin gegen eine Mainzer Klinik, deren Geschäftsführer, die behandelnde Anästhesistin und eine Medizinstudentin ein mündliches Gutachten. Drei Beklagte lehnten ihn im Anschluss wegen der Besorgnis der Befangenheit u.a. mit der Begründung ab, der Sachverständige sei auf seiner Homepage in pauschalisierender Weise gegen die Behandlerseite eingestellt und damit als gerichtlich eingesetzter Gutachter nicht unvoreingenommen.Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die sofortigen Beschwerden hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts... Lesen Sie mehr
Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.12.2012
- VI ZR 217/11 -
Schmerzensgeldansprüche wegen Kindesmissbrauch in den Jahren 1988 und 1990 nicht verjährt
Glaubwürdigkeit einer Aussage lässt sich nicht durch ein aussagepsychologisches Gutachten überprüfen
Ein Opfer von sexuellem Missbrauch kann auch heute noch Ansprüche auf Schmerzensgeld erfolgreich geltend machen, obwohl die Taten bereits Jahrzehnte zurückliegen. Kommt es im Rahmen eines Prozesses auf die Glaubwürdigkeit einer Aussage an, so ist zur Überprüfung dieser ein psychiatrisches Gutachten einzuholen. Ein aussagepsychologisches Gutachten ist dafür ungeeignet und muss daher nicht eingeholt werden. Dies entschied der Bundesgerichtshof und bestätigte damit ein Urteil des Landgerichts Osnabrück.
Der 1976 geborene Kläger des zugrunde liegenden Falls hat wegen Kindesmissbrauchs erfolgreich ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500 Euro gegen den heute 75-jährigen Beklagten geltend gemacht. Der Beklagte, der der Nachbar der klägerischen Großeltern war, missbrauchte den minderjährigen Kläger im Frühjahr 1988 und Anfang 1990.Obwohl die zivilrechtliche Klage erst 2008... Lesen Sie mehr
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.01.2013
- 9 S 2423/12 -
"Internet-Pranger" für Hygieneverstöße: Gastwirt wehrt sich erfolgreich gegen Veröffentlichung
Bedenken gegen Vereinbarkeit mit EU-Recht und Verfassungsrecht bedürfen der Klärung in Hauptsacheverfahren
Es bestehen Bedenken, ob die Veröffentlichung von Verstößen gegen Verbraucherschutz-Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) im Internet ("Internet-Pranger") mit EU-Recht und deutschem Verfassungsrecht vereinbar ist. Deshalb kann ein betroffener Gastwirt wegen der mit einer solchen Veröffentlichung einhergehenden Eingriffe in seine Grundrechte verlangen, dass die Veröffentlichung so lange unterbleibt, bis über deren Rechtmäßigkeit in einem Hauptsacheverfahren entschieden ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg hervor.
Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Antragsteller betreibt eine Speisegaststätte. Das Landratsamt stellte dort am 13. September 2012 lebensmittelrechtliche Verstöße fest. Eine weitere Kontrolle nach einer Woche ergab keine Beanstandungen mehr. Am 22. Oktober 2012 veröffentlichte das Landratsamt auf der Homepage des Rhein-Neckar-Kreises unter Nennung von Name, Anschrift... Lesen Sie mehr
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Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 31.01.2013
- C-12/11 -
Vulkanausbruch: Luftfahrtunternehmen muss Fluggäste nach Flugannullierung zeitlich und finanziell unbegrenzt betreuen
Luftraumschließungen stellen "außergewöhnliche Umstände" dar, die Luftfahrtunternehmen nicht von Betreuungspflicht entbinden
Ein Luftfahrtunternehmen ist verpflichtet Fluggäste zu betreuen, deren Flug aufgrund außergewöhnlicher Umstände wie der Schließung des Luftraums nach dem Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull annulliert wurde. Das Unionsrecht sieht keine zeitliche oder finanzielle Begrenzung dieser Pflicht zur Betreuung der Fluggäste (Unterbringung, Mahlzeiten, Erfrischungen) vor. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.
Wird ein Flug annulliert, ist das Luftfahrtunternehmen nach dem Unionsrecht* zu Betreuungs- und Ausgleichsleistungen gegenüber den betroffenen Fluggästen verpflichtet. Im Rahmen der Betreuungspflicht muss das Luftfahrtunternehmen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit Erfrischungen und Mahlzeiten sowie gegebenenfalls eine Hotelunterbringung, die Beförderung zwischen dem Flughafen... Lesen Sie mehr
Amtsgericht Schöneberg, Urteil vom 08.06.2012
- 19 C 166/12 -
Installation einer Videoüberwachungsanlage benötigt Zustimmung aller Mieter
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Will die Vermieterin am Wohnhaus eine Videoüberwachungsanlage installieren, so benötigt sie dafür die Zustimmung aller Mieter. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die Freiheit vor unerwünschter Überwachung. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Schöneberg hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall wurde ein Mietshaus auf Betreiben der Vermieterin mit einer Videoüberwachungsanlage ausgestattet. Es wurden Kameras im Foyer, am Hinterausgang, an der hofseitigen Fassade und an der Eingangstür angebracht. Eine dort seit langer Zeit wohnende Mieterin sah darin eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts und verlangte daher die Beseitigung der... Lesen Sie mehr
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Verwaltungsgericht Dresden, Urteil vom 29.01.2013
- 7 K 99/11 -
Sparkasse muss Girokonto für NPD-Untergliederung führen
Weigerung der Eröffnung eines Girokontos für eine vom Bundesverfassungsgericht nicht verbotene Partei stellt einen Gesetzesverstoß dar
Die Ostsächsische Sparkasse Dresden muss für den Kreisverband Dresden der NPD auf dessen Antrag ein Girokonto einrichten und führen. Dies geht aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dresden hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall folgten die Richter nach der durchgeführten mündlichen Verhandlung damit nicht der Argumentation der Sparkasse, die eine Geschäftsbeziehung mit der Partei u. a. wegen eines befürchteten Imageschadens abgelehnt hatte. Auch der Hinweis, dass bereits der Landesverband der NPD über ein Konto bei einer anderen Sparkasse verfüge und die Partei daher - etwa zur... Lesen Sie mehr
Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.08.2012
- 1 K 1102/09 -
Geldgeschenke eines Gesellschafters einer GmbH sind Arbeitslohn und unterliegen der Lohnsteuer
Finanzamt wertet an Arbeitnehmer überreichten Scheck zu Recht als Arbeitslohn
Vorteile, die ein Arbeitnehmer im Hinblick auf seine Tätigkeit für seinen Arbeitgeber erhält, gehören zum Arbeitslohn und unterliegen somit der Lohnsteuer. Und zwar auch dann, wenn sie ihm von einem Dritten gewährt und von diesem als Schenkung bezeichnet werden. Das geht aus einem Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg hervor.
Im zugrunde liegenden Streitfall klagte ein Arbeitnehmer, der bei einer GmbH beschäftigt war, deren Anteile von dem ursprünglichen Gesellschafter an eine Aktiengesellschaft verkauft wurden. Der Gesellschafter der GmbH, also der Arbeitgeberin des Klägers, war über den Verkauf offenbar so erfreut, dass er alle Arbeitnehmer einlud und jedem einen als "Geschenk" bezeichneten Scheck überreichen... Lesen Sie mehr
Landgericht Hamburg, Urteil vom 03.11.1960
- 19 S 143/60 -
Raumtemperatur von nur 16°C bei einer Außentemperatur von -3°C berechtigt zur Mietminderung
Minderungsquote von 16 - 17 % angemessen
Erreicht die Zimmertemperatur im Wohnzimmer bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt nicht mehr als 18 °C, so rechtfertigt dies eine Minderung der Miete um 16 - 17 %. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall minderte eine Mieterin einer Wohnung ihre Miete wegen der unzureichenden Beheizung ihres Wohnzimmers. Bei über dem Gefrierpunkt liegenden Außentemperaturen betrug die Zimmerwärme 17 bis 18 °C. Bei Außentemperaturen von minus 3 °C lag die Raumwärme nur bei 16 °C. Die Mieterin meinte, die unzureichende Beheizung sei auf Mängel der Heizung zurückzuführen.... Lesen Sie mehr
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 25.10.2012
- 9 U 199/11 -
Zur Mithaftung des Ehegatten bei Kfz-Finanzierung: Ehegatte ist nicht Darlehensnehmer bei fehlendem Eigeninteresse an dem Darlehen des Ehepartners
Sittenwidrigkeit des Vertrags bei Ausnutzung der krassen finanziellen Überforderung des Ehegatten
Hat der Ehegatte kein eigenes Interesse an dem Darlehen des Ehepartners, so ist der Ehegatte nicht als Darlehensnehmer anzusehen. Es besteht nur eine Mithaftung. Diese ist wegen Sittenwidrigkeit ausgeschlossen, wenn eine krasse finanzielle Überforderung des Ehegatten ausgenutzt wird. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Ehemann nahm wegen eines Autokaufs einen Kredit auf. Diesen löste er später, ohne besonderen Anlass, durch ein anderes Darlehen ab. Diesen Darlehensvertrag unterschrieb seine Ehefrau mit. Diese war erst seit kurzer Zeit in Deutschland und sprach kein deutsch. Zudem verfügte sie über keine nennenswerten finanziellen Mittel. Nachdem die... Lesen Sie mehr
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31.01.2013
- BVerwG 10 C 17.12 -
Widerruf der Flüchtlingsanerkennung bei Straftätern an hohe Anforderungen gebunden
Dreijährige Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe für mehrere Taten erfüllt Anforderungen an Widerrufsvoraussetzungen nicht
Der Widerruf einer Anerkennung als Flüchtling wegen einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer mindestens dreijährigen Freiheitsstrafe ist nur möglich, wenn sich die Verurteilung auf eine einzelne besonders schwerwiegende Straftat bezieht. Die Verurteilung zu einer mindestens dreijährigen Gesamtfreiheitsstrafe reicht nicht aus, wenn die zu Grunde liegenden Taten jeweils mit Einzelstrafen von weniger als drei Jahren geahndet worden sind. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht.
Der 39-jährige Kläger des zugrunde liegenden Falls lebt seit 1979 in Deutschland. Er ist türkischer Staatsangehöriger und wurde wegen seiner syrisch-orthodoxen Religionszugehörigkeit 1999 als Asylberechtigter anerkannt. Seit seinem 14. Lebensjahr hat er zahlreiche Straftaten begangen und ist durch die Strafgerichte immer wieder zu Haftstrafen von bis zu zwei Jahren verurteilt worden.... Lesen Sie mehr
Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 05.10.2012
- 10 U 13/12 -
Schadensersatzanspruch aufgrund eines Schlaglochs von 20 cm Tiefe
Sofortige Sicherungsmaßnahmen sind erforderlich
Weist eine vielbefahrene Hauptstraße ein Schlagloch von 20 cm Tiefe auf, so sind vom Straßenbaulastträger sofortige Sicherungsmaßnahmen auszuführen. Das Aufstellen von Warnschildern genügt nicht. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Januar 2011 wurde gegen 17.30 Uhr ein Auto durch zwei Schlaglöcher auf einer vielbefahrenen Straße beschädigt. Die beiden großflächigen Schlaglöcher waren 16 bzw. 20 cm tief. Die zuständige Gemeinde als Straßenbaulastträgerin wusste von den Schlaglöchern. Sicherungsmaßnahmen hat sie nicht ausgeführt. Der klägerische Autofahrer verlangte... Lesen Sie mehr
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31.01.2013
- BVerwG 2 C 10.12 -
Beamte haben bei Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf Abgeltung für krankheitsbedingt nicht genommenen Urlaub
BVerwG konkretisiert Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Anspruchs
Beamte haben nach den Maßgaben der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) einen Anspruch auf Abgeltung des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs, den sie krankheitsbedingt bis zum Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen konnten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden und zugleich die Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieses Anspruchs konkretisiert.
Der Kläger des zugrunde liegenden Falls, ein Polizeibeamter, ist Mitte 2008 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand getreten, nachdem er zuvor ca. ein Jahr lang dienstunfähig erkrankt war. Sein Begehren auf finanzielle Abgeltung des Erholungsurlaubs, des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 SGB IX und des Arbeitszeitverkürzungstags für die Jahre 2007 und 2008 hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.... Lesen Sie mehr